Deutsche Onlineshops im Aufwind „Transparenz ist oberstes Gebot“

Obwohl große Versender den Onlinehandel spürbar dominieren, profitieren auch kleinere Shops vom E-Commerce-Boom. „Gusti Leder“ aus Rostock hat mit einer ganz eigenen Strategie schon seit 2007 wachsenden Erfolg. Wir sprachen mit Geschäftsführer Christian Pietsch über Indien, Amazon und geheime Nachrichten.

Christian Pietsch hat Gusti Leder 2007 gegründet. (Foto: Gusti Leder)

Obwohl OTTO, Zalando und andere große Versender den Onlinehandel in Deutschland spürbar dominieren, profitieren auch viele kleinere deutsche Shops vom anhaltenden E-Commerce-Boom. „Gusti Leder“ aus Rostock etwa hat sich mit einer ganz eigenen Strategie konsequent auf Ledertaschen, Accessoires und Zubehör aus Leder spezialisiert – und damit schon seit 2007 wachsenden Erfolg. Wir sprachen mit Geschäftsführer Christian Pietsch über Indien, Amazon und geheime Nachrichten.

Herr Pietsch, Sie feiern dieses Jahr 10-jähriges Jubiläum, vielen anderen Start-ups geht die Puste deutlich früher aus. Wie viel Gründergeist ist bei Ihnen noch zu spüren?

Pietsch: Jede Menge, generell heißt es bei uns bis heute: „Ausprobieren!“. Unser Start-up hat seit je her nicht viel Budget für klassische Produktplatzierungen und große Werbekampagnen, da ist Kreativität gefragt – und nicht zuletzt auch Flexibilität. Wir versuchen viele Arbeitsschritte selbst zu machen. Von Verzollung und Versand über Kundensupport und Produktdesign bis hin zur Webseitengestaltung. Das ist nicht immer leicht, aber so bleiben wir authentisch.

„Gusti Leder“ ist auf den ersten Blick ein ungewöhnlicher Name für ein Unternehmen. Was hat es damit auf sich?

Pietsch: Der Name hat mit einer Erinnerung aus Kindertagen zu tun. Als ich noch klein war, hatte unser Nachbar eine Ziege, auf die ich immer aufgepasst habe, wenn er im Urlaub war – sie hieß „Gusti“. Als ich viele Jahre später während des Studiums reiste, kam ich in Indien mit der Lederproduktion in Kontakt. Die Zustände dort brachten mich zum Nachdenken und ich überlegte, wie sich Lederproduktion nachhaltiger gestalten lassen könnte. Für meine Unternehmensidee musste ein passender Name her – daraus entstand Gusti Leder.

Verantwortung beginnt beim Sourcing

Nachhaltigkeit ist also ein wichtiger Teil Ihres Geschäftsmodells?

Pietsch: Nachhaltigkeit ist nicht nur ein wichtiger Teil, sie ist Grundpfeiler unseres Unternehmens – und ebenso oberstes Gebot wie Transparenz. Unser Ziegenleder ist ein Abfallprodukt der Fleischproduktion, wir dulden keine Kinderarbeit und verbessern mit zusätzlichen Projekten die Bedingungen der Gerber und der Familienbetriebe, die für uns arbeiten. Im Gegensatz zu anderen Lederherstellern weisen wir außerdem offen und ehrlich nach, von welchem Tier das Produkt kommt, wie gegerbt wird und wo die Produktionsstätten liegen. So viel Transparenz suchen Sie bei vielen großen Shops vergebens.

Der deutsche E-Commerce-Markt ist hart umkämpft, vor allem große Player wie Amazon, Otto und Zalando dominieren. Für kleine Shops kein einfaches Unterfangen.

Pietsch: Natürlich war es anfangs nicht leicht, sich als Marke zu etablieren. Obwohl wir einen Laden in Rostock und einen in Berlin haben, vertreiben wir unsere Lederwaren hauptsächlich online. Es gibt viele Plattformen, die mit uns in Konkurrenz stehen und durch ihre Popularität mehr Reichweite und mehr Budget besitzen. Für uns war jedoch von Anfang an klar: Wir wollen nicht der größte Lederhandel werden, sondern der beste!

„Wir haben eine Geschichte zu erzählen“

 Ein hehres Ziel, das ziemlich viele Shops verfolgen …

Pietsch: Stimmt. Unser Credo ist es deshalb auch maximale Kundenzentrierung. Ein Beispiel: Neue Produkte stellen wir in Sample Videos auf Facebook vor und fragen unsere Fans, was verändert werden soll. Wir beziehen unsere Kunden also schon in die Entwicklung neuer Produkte ein. Mit Erfolg, die hohen Interaktionsraten der Videos sprechen für sich. Darüber hinaus verzichten wir auf teure Zwischenhändler und versuchen unsere Kunden regelmäßig zu überraschen – sei es mit speziellen Gravuren oder sogar handgeschriebenen Nachrichten, die unsere Produzentenfamilien in Indien manchmal in Taschen oder Büchern verstecken. Und damit meine ich keine verzweifelten Hilferufe, sondern sympathische, ernst gemeinte Grüße. Wir hatten schon einige Rückmeldungen, wie sehr es die Menschen freut, wenn sie plötzlich und unerwartet ein Stück Indien in der Hand halten.

 Von Videos und Geheimnachrichten allein aber kann kein Händler überleben. Was unterscheidet Ihren Shop von großen Internetkonzernen?

Pietsch: Unser Vorteil gegenüber Big Playern liegt sicherlich darin, dass Gusti Leder für viele ein „Gesicht“ und eine „Geschichte” hat, die erzählt werden will – und genau das tun wir, transparent und bis ins kleine Detail. Wir zeigen wo unsere Produkte herkommen, wer daran gearbeitet hat und welche Ideen eingeflossen sind. Ein großer Onlinehändler könnte das kaum leisten, obwohl genau diese Transparenz im Produktionsprozess und nachhaltiges Wirtschaften für immer mehr Kunden ein wichtiges Kaufargument ist.

Wir danken für das Gespräch!

Nächster Artikel