Duzen statt Siezen Warum Hermes jetzt auf Nähe setzt

Siezen Sie noch oder duzt Du schon? Immer mehr Unternehmen gehen mit ihren Kunden auf Tuchfühlung, auch Hermes hat sich vielerorts das "du" angewöhnt. Nicht jeder findet das gut. Marketingleiterin Nicola Perl erklärt die Hintergründe – und verrät, warum ein „du“ keine Geringschätzung ist.

Startseite auf myhermes.de (Foto: Hermes)

Nicola, Ihr habt entschieden, dass Hermes Germany seine Kunden auf der Website, im Newsletter und auch in der Werbung nicht mehr siezt, sondern duzt. Warum tut ihr das? Macht Hermes jetzt auf IKEA?

Nicola Perl: Ganz klar: Nein. Das war nie unser Ziel. Es geht vielmehr darum, dass wir uns dem Kunden gegenüber persönlicher zeigen möchten und Distanz abbauen wollen. Und ein „Sie“ ist nun mal deutlich distanzierter als ein ebenso nettes, freundliches „du“. Das assoziiert sofort mehr Nähe und wirkt außerdem viel menschlicher. Nicht zuletzt geht es uns auch darum, dass wir uns vom Wettbewerb differenzieren möchten. DHL zum Beispiel leistet natürlich ohne Frage einen guten Job, ist in meiner Wahrnehmung aber eben auch recht anonym. Das möchten wir anders machen. Das „du“ hilft uns dabei.

Ist es nicht etwas dreist, Menschen zu duzen, die man nicht kennt?

Nicola Perl: Das ist sicher Ansichtssache. Letztlich passt ein „du“ durchaus gut zu unserer Branche. Hermes ist schließlich ein Dienstleister im E-Commerce, und da wird schon seit Langem bei sehr vielen Unternehmen geduzt – intern wie extern. Zalando tut es, About You und IKEA ebenfalls, sogar OTTO und Amazon sprechen Kunden auf ihren Websites per „du“ an. Warum sollten wir das dann nicht auch dürfen?

Die Mehrheit will das „du“

Also macht Hermes doch auf IKEA.

Nicola Perl, Hermes Germany (Foto: Hermes)

Nicola Perl: Nein, denn die Du-Form nutzen wir nur in der allgemeinen Ansprache, also auf der Website oder auch in der Werbung. Im persönlichen, direkten Kontakt wird hingegen weiterhin gesiezt. Das gilt für den Zusteller und unseren Kundenservice genauso wie für den PaketShop. Und daran wird sich auch nichts ändern. IKEA und andere Unternehmen hingegen setzen das „du“ sehr viel konsequenter ein. Das unterstreicht übrigens, dass wir mit der Du-Form keinesfalls polarisieren oder gar Gefühle verletzen möchten. Wir passen uns vielmehr den Zielgruppen unserer Branche und den allermeisten Kunden unserer Auftraggeber an. Das ist nur folgerichtig.

Was ist, wenn ein Kunde weiterhin gesiezt werden möchte?

 Nicola Perl: Wie gesagt, im persönlichen Kontakt per Telefon, Mail oder an der Haustür siezen wir nach wie vor. Lediglich in der allgemeinen Ansprache sind wir aufs „du“ gewechselt und werden dabei auch bleiben. Übrigens ist die Idee, vom „Sie“ zum „du“ zu wechseln, nicht mal eben so aus dem Blauen heraus entstanden. Im Gegenteil, wir haben intensive Marktforschung betrieben und im Vorfeld diverse Tests durchgeführt. Das Ergebnis war, dass den allermeisten Kunden der Wechsel zum „du“ sehr gut gefällt – Ausnahmen gibt es aber natürlich immer.

„Wir wollen nicht IKEA sein“

Am Telefon ein „Sie“, im Web ein „Du“ – konsequent ist das irgendwie nicht …

Nicola Perl: Stimmt. Andere Unternehmen sind da konsequenter. Für uns ist die jetzige Gangart trotzdem ein guter Kompromiss. Durch das „du“ im Web und in der Werbung schaffen wir dort spürbar und messbar mehr Nähe zum Kunden. Gleichzeitig aber wird etwa im Kundenservice weiterhin eine gewisse Distanz gewahrt, die es manchmal braucht. Das unterscheidet uns von schwedischen Möbelhäusern. Wir sind nicht IKEA und wollen das auch nicht sein.

Und trotzdem duzt ihr fremde Menschen. Bist Du persönlich etwa nicht irritiert, wenn Du von wildfremden Leuten geduzt wirst, z.B. beim Einkaufen, im Restaurant oder vom Schaffner?

 Nicola Perl: Ich kann nachvollziehen, dass so etwas den einen oder anderen irritieren mag. Mich irritiert es ehrlich gesagt überhaupt nicht. Im Gegenteil, ich bin in solchen Fällen oft sogar eher positiv überrascht. Ich finde es beispielsweise wirklich nett, wenn ich im Restaurant vom Kellner mit einem freundlichen „du“ angesprochen werde. Ich fühle mich dann schlichtweg wohler und nicht mehr so anonym, wie eine unter vielen. Den meisten meiner Freunde geht das übrigens ähnlich. Es kommt aber natürlich immer auch aufs Gesamterlebnis und die Situation an. Gerade im Direktkontakt zwischen Menschen ist das oft ein schmaler Grat.

Wie ist das eigentlich bei Hermes intern? Duzt oder siezt Ihr Euch?

Nicola Perl: Wie unsere Konzernmutter, die Otto Group, so durchläuft auch Hermes einen umfangreichen Kulturwandelprozess. Das „du“ ist ein elementarer Teil davon. Für mich war das Duzen hier im Konzern allerdings ohnehin nie ein Thema, ich habe mich gleich von Beginn an mit den allermeisten Kollegen geduzt. So kenne ich das auch von früheren Jobs in anderen Unternehmen.

Dass Dir das leichtfällt, könnte natürlich auch an deiner Position liegen. Du bist schließlich Führungskraft …

Nicola Perl: Ja, mag sein, dass es dann leichter fällt. Andererseits: Nicht nur ich duze mich seit jeher mit meinem Team und meinen Chefs – mein Team duzt sich auch mit unseren Geschäftsführern, zumindest tun das die allermeisten. Das klappt gut und sorgt übrigens auch an dieser Stelle für einen Abbau von Distanz. Gerade in der heutigen Zeit, in der es für alle Unternehmen immer herausfordernder wird gute Mitarbeiter zu bekommen, ist das ein nicht zu unterschätzender Punkt.

Danke für das Gespräch.

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