Starship-Roboter in Hamburg „Innovation passiert nicht am Schreibtisch“

Im vergangenen Herbst hat Hermes in Hamburg einen Pilottest mit Lieferrobotern der Marke Starship gestartet – als erster Paketdienst in Deutschland. Ein halbes Jahr nach dem Start zieht Roger Hillen-Pasedag, Division Manager Strategy & Innovation bei Hermes Germany, eine vorläufige Bilanz. Herr Hillen-Pasedag, ihr Test mit Starship-Robotern in Hamburg sollte bis Ende 2016 dauern, wurde […]

Starship-Zustellroboter in Hamburg-Ottensen. (Foto: Hermes)

Im vergangenen Herbst hat Hermes in Hamburg einen Pilottest mit Lieferrobotern der Marke Starship gestartet – als erster Paketdienst in Deutschland. Ein halbes Jahr nach dem Start zieht Roger Hillen-Pasedag, Division Manager Strategy & Innovation bei Hermes Germany, eine vorläufige Bilanz.

Herr Hillen-Pasedag, ihr Test mit Starship-Robotern in Hamburg sollte bis Ende 2016 dauern, wurde dann aber bis Ende März 2017 verlängert. Verlängern Sie den Test nun noch einmal?

Hillen-Pasedag: Die Starship-Roboter fahren auch über Ende März hinaus in Hamburg weiter. Nach den vergangenen sechs Monaten Testbetrieb ist es für uns allerdings erst einmal an der Zeit, die gesammelten Erfahrungen und Daten zu evaluieren und zu analysieren. In den kommenden Wochen führen die Roboter unter der Regie von Starship weitere Mapping- und andere Testfahrten durch, um das bestehende Kartenmaterial weiter zu verbessern.

Heißt das, dass die Zusammenarbeit von Hermes und Starship jetzt beendet ist?

Hillen-Pasedag: Nein, wir nehmen uns lediglich wie geplant die Zeit, die gewonnenen Erkenntnisse auszuwerten und prüfen gemeinsam mit Starship mögliche zukünftige Anwendungsfälle. In welche Richtung es da gehen könnte, ist aktuell noch offen. Möglich sind z.B. Einsatzszenarien, die stärkeren Fokus auf Retouren legen, aber auch Hybridkonzepte mit weiteren Partnern sind denkbar. Innovation passiert eben nicht am Schreibtisch, sondern dadurch, dass neue Technologien pilotiert und getestet werden.

„Wir wollen keine Boten ersetzen“

Vorerst wird es also keine flächendeckende Zustellung von Hermes-Paketen per Roboter in Deutschland geben?

Hillen-Pasedag: Vorerst sicherlich nicht, das aber war auch nie Ziel des Tests. Schließlich haben wir es hier mit einem sehr frühen Prototypen zu tun, der erst durch Tests wie jetzt in Hamburg zur Serienreife kommen kann. Zudem wollen wir mit dem Roboter keine Paketboten ersetzen, sondern vielmehr neue Zustellmöglichkeiten testen, um etwa in verkehrsbelasteten Innenstädten die Belieferung unserer Kunden zu optimieren. In diesem Kontext sind und bleiben autonom operierende Systeme ein Thema für uns. Etwas stolz sind wir natürlich darauf, dass es uns gelungen ist, als erster Paketdienst in einer deutschen Großstadt ein autonomes Transportfahrzeug einzusetzen.

Was ist der größte Vorteil eines Roboters gegenüber einem menschlichen Zusteller?

Hillen-Pasedag: Der größte Vorteil ist sicherlich, dass Zustellroboter theoretisch an sieben Tagen rund um die Uhr eingesetzt werden können. Wenn Sie als Kunde dann z.B. gerne Sonntagnacht um 2:30 Uhr ihre Retoure verschicken möchten, könnten Sie einfach unseren Roboter bestellen und wären ihr Paket eine halbe Stunde später los. Paketzustellung und -abholung lassen sich so also noch viel individueller auf jeden einzelnen Kunden zuschneiden als heute, auch in Tagesrand- und Nachtzeiten. Autonome Roboter schaffen völlig neue Anwendungsszenarien. Dies gilt es für uns zu evaluieren.

Wie lief denn der Starship-Test in den vergangenen Monaten?

Hillen-Pasedag: Alles in allem bin ich sehr zufrieden. Unser primäres Ziel in dieser ersten Testphase war es, Erfahrungen mit einem neuen Zustellkonzept zu machen. Das ist uns gelungen. Nicht nur, dass wir unsere teilnehmenden Testkunden erfolgreich mit Paketen beliefern konnten. Auch die Resonanz in der Öffentlichkeit, etwa auf der Straße, war ausgesprochen positiv und sogar deutlich größer als gedacht. Rund 250.000 Passantenkontakte hatten wir seit Herbst, über 3.500 Kilometer sind die Roboter in Hamburg für Hermes unterwegs gewesen. Rund 600 Fahrten wurden absolviert. Die Zusammenarbeit mit dem Team von Starship hat sehr viel Spaß gemacht.

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Deutsches Mobilfunknetz mit Schwächen

Trotz allem Optimismus: Jedes Pilotprojekt hat auch Schwächen. Wo sehen Sie Nachbesserungsbedarf?

Hillen-Pasedag: Vorweg möchte ich noch einmal betonen, dass wir nie davon ausgegangen sind, nach nur ein paar Monaten ein ausgereiftes, markttaugliches Massenprodukt präsentieren zu können. Dafür ist es noch zu früh. Nachbesserungsbedarf sehe ich derzeit einerseits bei der Technik, etwa bei der Akkuleistung, beim User Interface oder in der Flexibilität des Systems, etwa beim Einsatz in Abend- und Nachtstunden. Eine bislang ungelöste Herausforderung ist die speziell in Randgebieten nicht ausreichend starke Versorgung mit schnellen LTE-Mobilfunknetzen. In Estland, dem Geburtsland von Starship, ist das gemeinhin kein Problem. Nicht zuletzt ist die manuelle Assistenz aktuell noch recht aufwändig, auch wegen der Begleitpersonen.

Warum gibt es diese Begleitpersonen überhaupt?

Hillen-Pasedag: Weil aktuell die gesetzlichen Rahmenbedingungen das so vorschreiben. Ohne diese sogenannten „Handler“ dürften die Roboter nach aktueller Genehmigungslage nicht eingesetzt werden, auch wenn das System technisch schon jetzt dazu in der Lage ist, autonom zu fahren. Nicht unterschätzen darf man hier aber einen ganz anderen Punkt – nämlich, dass die „Handler“ auch eine informationspolitische Funktion innehaben. Der Aufklärungsbedarf unter den Passanten ist groß, die Begleiter werden tagtäglich dutzende Male angesprochen.

Gesetzesnovelle könnte helfen

Rechnet sich ein Roboter bei so viel menschlichem Einsatz überhaupt?

Hillen-Pasedag: Nein, im aktuellen Test rechnet sich der Betrieb natürlich nicht, das war uns aber von vornherein klar. Schließlich handelt es sich um ein Projekt mit frühen Prototypen – so etwas kostet immer Geld, auch wenn der Mitteleinsatz im Vergleich zu anderen Großprojekten sehr überschaubar ist. Perspektivisch wird man sich aber natürlich fragen müssen, ob und wie so ein Einsatz rentabel gestaltet werden kann. Das allerdings setzt erst einmal die Vollintegration in die Zustellprozesse voraus.

Wie viel Schützenhilfe ist dafür vom Gesetzgeber nötig?

Hillen-Pasedag: Die Stadt Hamburg unterstützt uns hier vorbildlich und führt auch mit Starship direkt sehr gute Gespräche, etwa was eine mögliche Ausweitung der Betriebszeiten auf die Abendstunden betrifft. Mittelfristig aber brauchen wir eine Regulierung auf Bundesebene, um einen autonomen Fahrbetrieb auch ohne menschlichen Begleiter testen zu können. Hier wird sich zeigen, ob Deutschland im internationalen Vergleich mithalten kann und für autonome Systeme die entsprechenden Rahmenbedingungen schafft. Zudem würde eine Novelle zum Postdienstleistungsgesetz helfen, den Einsatz autonomer Zustellsysteme in Deutschland grundsätzlich zu vereinfachen. Aber das ist derzeit noch Zukunftsmusik.

Wir danken für das Gespräch.

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