Preise im Paketversand „Wir brauchen 50 Cent mehr“

Zum 2. Mai 2017 hat Hermes im nationalen Privatpaketversand die Preise einiger weniger Produkte moderat angepasst. Thomas Horst, Geschäftsführer Sales bei Hermes Germany, erklärt die Hintergründe – und weshalb Paketversand in Deutschland trotzdem noch zu günstig ist.

Zusteller mit Hermes-Paket. (Foto: Hermes)

Zum 2. Mai 2017 hat Hermes im nationalen Privatpaketversand die Preise einiger weniger Produkte moderat angepasst. Thomas Horst, Geschäftsführer Sales bei Hermes Germany, erklärt die Hintergründe – und weshalb Paketversand in Deutschland trotzdem noch zu günstig ist.

Herr Horst, höhere Preise stoßen nur selten auf Gegenliebe beim Verbraucher. Warum die jetzige Preisrunde?

Thomas Horst: Die Gründe sind vielfältig und neben den steigenden Energie- und Transportkosten auch bei den Lohnkosten zu suchen. Zum 1. Januar 2017 hatte die Bundesregierung den deutschlandweit geltenden Mindeststundenlohn um vier Prozent auf nunmehr 8,84 Euro erhöht. Dieser gesetzlich verankerte Beschluss gilt selbstverständlich auch für Hermes und alle Servicepartner, die in unserem Auftrag Pakete zustellen. Eine vierprozentige Erhöhung des Stundenlohns mag marginal klingen, potenziert sich aber bei bis zu 13.000 Zustellern, die für uns fahren, zu einer gewichtigen Summe. Nicht unerwähnt bleiben darf in diesem Kontext, dass der deutsche Paketmarkt aufgrund des starken Wettbewerbsdrucks traditionell mit geringen Margen auskommen muss. Spielraum bleibt da kaum, sodass eine Anpassung einzelner Preise für uns im aktuellen Fall unumgänglich war.

Im Privatversand werden das S-Paket sowie der Gepäckversand teurer. Weshalb gerade diese Produkte?

Thomas Horst: Neben dem Päckchen, dessen Preis mit 3,89 EUR übrigens stabil bleibt, ist das S-Paket unser Einstiegsprodukt im Paketsegment. Wie so oft bei Einstiegsprodukten, steht dessen Preis im direkten Wettbewerbsumfeld besonders unter Druck. Beim Gepäckversand müssen wir den Preis anpassen, weil die Sortierung von Gepäckstücken deutlich aufwändiger und somit teurer ist als die Sortierung von Paketen. Dies hängt damit zusammen, dass die meisten Koffer und Reisetaschen nicht „bandfähig“ sind. Gepäckstücke werden deshalb nicht maschinell sortiert, sondern per Hand – entsprechend machen sich auch hier steigende Kosten bemerkbar, die wir kompensieren müssen. Die Preise im privaten Paketversand bei Hermes waren zuletzt übrigens über zwei Jahre lang stabil.

Wachsende Anforderungen

Viele Kunden wählen Hermes auch wegen der attraktiven Preise. Verspielen Sie diesen Vorteil nicht, wenn Sie diese Preise nun anheben?

Thomas Horst: Nein, Hermes bietet weiterhin ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, auch wenn es natürlich immer kritische Stimmen gibt, sobald ein Unternehmen höhere Preise ansetzt. Für uns ist die Anpassung trotzdem alternativlos. Die gesamte Branche und somit auch Hermes sieht sich mit immer höheren Anforderungen konfrontiert. Denken Sie nur mal an drohende Diesel-Fahrverbote in Innenstädten, den wachsenden Fahrermangel oder auch die steigenden Paketmengen. All diesen Entwicklungen muss mit Investitionen entsprochen werden – sei es in Elektrofahrzeuge, neue Zustellkonzepte oder High-End-Paketzentren mit höheren Umschlagquoten. Gleichzeitig fordert der Verbraucher eine immer höhere Präzision und Verlässlichkeit in der Zustellung. Immer schneller, genauer, besser soll die Lieferung sein, am besten individuell rund um die Uhr steuerbar. Das ist alles machbar, muss aber eben bezahlt werden.

Hermes transportiert in Deutschland immer mehr Pakete. Warum heben Sie die Preise trotz dieser Entwicklung an?

Thomas Horst: Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass sich die Paketdienste im Windschatten des E-Commerce-Booms eine goldene Nase verdienen. Das stimmt so schlichtweg nicht. Natürlich, die Sendungsmengen und somit die Umsätze steigen auch bei Hermes, wie unsere aktuelle Bilanz beweist. Gleichzeitig aber sind wir eben auch mit einem enorm hohen Entwicklungsdruck konfrontiert. Mehr Mengen brauchen mehr Infrastruktur, mehr Personal, mehr Fahrzeuge. Ganz zu schweigen von Investitionen in neue Services oder eben Bereiche wie E-Mobilität.

Paketversand ist zu günstig

Wird es mittelfristig weitere Preisanpassungen geben? Wenn ja: In welchem Bereich?

Thomas Horst: Unter der Prämisse, dass das Wachstum in der Logistik und die Ansprüche der Kunden weiterhin zunehmen, sind ergänzende Preisanpassungen mittel- wie langfristig unvermeidbar – und zwar in allen Segmenten. Schließlich bedeutet die skizzierte Entwicklung, dass wir auch künftig signifikant in unsere Logistiknetzwerke investieren müssen, um nicht den Anschluss zu verlieren. Um dem vorzubeugen, nehmen wir schon jetzt erste neue, hochmoderne Logistik Center in Betrieb. Das erste dieser neuen Paketzentren hat Ende April in Bad Rappenau eröffnet. Insgesamt 300 Millionen Euro kostet uns allein dieses Infrastrukturprogramm. Dafür müssen Sie ziemlich viele Päckchen transportieren …

Die Margen in der Paketbranche gelten als besonders knapp. Wie viel mehr Geld müssten Sie realistisch betrachtet pro Paket verlangen?

Thomas Horst: Der Paketversand in Deutschland ist vielfach zu günstig und in einigen Segmenten kurz vor Dumpingniveau. Das ist Fakt, aufgrund der Wettbewerbssituation und sehr preissensiblen Verbrauchern aber kaum zu ändern. Hanjo Schneider hat öffentlich mehrfach mindestens 50 Cent Zuschlag für jedes Paket gefordert – eine solche Größenordnung ist aus meiner Sicht nötig und gerechtfertigt, wenn auch derzeit nicht durchsetzbar.

Wir danken für das Gespräch.

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