Trend Crowd Delivery: Chancen und Risiken des Sharing Economy-Modells

Mit Gelegenheits-Kurieren möchten Start-ups und Konzerne die wachsende Nachfrage nach Transportdienstleistungen rund um die Uhr befriedigen. Doch das Konzept birgt Risiken.

Crowd Delivery-Geschäftsmodelle ermöglichen die gemeinsame Nutzung von Transportkapazitäten für Pakete. (Foto: Shutterstock)

„Crowd Delivery“ lautet ein neuer Trend in der Zusteller-Branche: Wer beispielsweise auf Fernreisen noch Platz im Rucksack hat oder mit leerem Kofferraum zur Arbeit pendelt, der kann für einen kleinen Zuverdienst Pakete oder andere kleine Sendungen mitnehmen.

In anderen Märkten hat das Prinzip längst gezündet und die Aussichten für die Logistik scheinen verlockend: Wenn Wohnungen mit Übernachtungsgästen geteilt werden können oder Autos mit Reisenden – warum soll dann nicht auch die gemeinsame Nutzung von Transportkapazitäten für Pakete ähnlich erfolgreiche Geschäftsmodelle ermöglichen wie bei Airbnb als Plattform für Unterkünfte oder dem Fahrdienstvermittler Uber?

Auslieferung ohne teure Infrastruktur

Wie sehr diese Idee verfängt, hat das Seminar für Unternehmensführung und Logistik der Universität zu Köln kürzlich in einer Studie ermittelt. Die Befragung von 290 Teilnehmern ergab, dass sich immerhin jeder Zweite vorstellen könnte, Crowd-Logistik-Angebote als Kunde zu nutzen oder selbst als Zusteller aktiv zu werden. Und fast drei Viertel der potenziellen Kunden gingen davon aus, dass die Lieferung mit Hilfe der Crowd-Logistik flexibler sei als das Angebot klassischer Kurier-, Express- und Paketdienste (KEP-Dienste). Für Anbieter von Crowd-Logistik biete das Mitnahmeprinzip durch den Verzicht auf eine investitionsintensive Infrastruktur das Potenzial, Kosten zu senken, so die Autoren der Analyse.

Auf das Interesse der Kunden und die noch unerschlossenen Potenziale bauen auch Geschäftsmodelle junger Unternehmen, die versuchen, diesen Markt zu erschließen. So sucht das Berliner Start-up Packator auf seiner Website nach „Packator Heroes“, die in Berlin oder München lokale Kurierjobs übernehmen: Die Aufträge werden „wann und wo du willst“ per App vermittelt, die Boten informieren sich auf dem Smartphone über Aufträge in ihrer Nähe. Eine Lieferung kann mit dem Fahrrad ebenso ausgeführt werden wie im Auto oder per S-Bahn. Die Einsätze der örtlichen Freelancer kombiniert die Plattform mit einem Partnernetzwerk, zu dem große internationale Logistikunternehmen gehören, um deutschlandweit Aufträge annehmen und weltweite Transportdienste anbieten zu können. In einer zweiten Finanzierungsrunde sammelte das im Herbst 2015 gegründete Start-up im vergangenen Sommer 2 Mio. Euro ein und plant die Expansion nach Asien.

ÜberBringer, Trunksta oder CoCarrier heißen andere Anbieter, die ebenfalls versuchen, den Markt der Mitnehmer zu erobern. „Unsere Versender sparen bis zu 50 Prozent der Kosten bei Lieferungen binnen 48 Stunden“, lautet das Versprechen von CoCarrier-Mitgründer Julian Maar. Sein Unternehmen bietet Zustelldienste mit Gelegenheits-Kurieren auf nationalen und internationalen Strecken an. Der Preis für die Dienstleistung wird mit Hilfe eines Algorithmus ermittelt, der die Größe des Pakets, die Distanz, die Zeit und die Art des Transportmittels berücksichtigt. Bei grenzüberschreitenden Transporten unterstützt CoCarrier den Versender bei der Regelung der Zollangelegenheiten. Die Sendungen sind über den Partner Ergo bis zu einem Wert von 500 Euro versichert.

Vermittlungsquote noch niedrig

Für die Vermittlung der Transporte streicht die Plattform ein Viertel der Versandgebühren ein. Nach Angaben des Unternehmens gehen täglich im Schnitt 50 neue Mitnahmeangebote bei CoCarrier ein, in Urlaubszeiten seien es bis zu 150. „Wir wachsen stark und erwarten bis zum Sommer einen deutlichen Anstieg“, sagt Maar. Für den Anfang 2017 gestarteten Service von CoCarrier gilt ebenso wie für die anderen Anbieter von Crowd Delivery-Diensten, dass sie erst eine kritische Größe erreichen müssen, damit ihr Geschäftsmodell sein Potenzial entfalten kann – und solange mehrere Anbieter um das Interesse potenzieller Kunden und Kuriere konkurrieren, ist das nicht leicht.

So gelingt es CoCarrier derzeit nur für knapp ein Drittel der Transportwünsche zwischen den großen deutschen Städten einen passenden Mitnehmer zu finden. Auf internationalen Routen oder weniger stark frequentierten Strecken im Inland liegt die Quote noch deutlich niedriger. Um dennoch jede Anfrage bedienen zu können, kooperiert CoCarrier mit mehreren großen Paketdiensten. Dabei fällt die Vermittlungsprovision für CoCarrier allerdings deutlich bescheidener aus und auch der Versender kommt nicht in den Genuss des Preisvorteils, den der Transport mit den Gelegenheits-Kurieren bietet.

Zugleich laufen die Vermittler Gefahr, dass ihr Angebot gegen rechtliche Vorschriften verstößt. Um mit dem Gesetz nicht in Konflikt zu kommen, achten die CoCarrier-Gründer darauf, dass die privaten Kuriere nicht gewerblich arbeiten und keine Lizenz von der Bundesnetzagentur brauchen. Dazu werden die möglichen Verdienste der Freizeit-Boten gedeckelt, ihre Einnahmen dürfen 22 Cent pro Kilometer nicht überschreiten. „Wir vermitteln keine Aufträge an kommerzielle Transportunternehmer, sondern bieten einen Reisekostenzuschuss – ähnlich wie eine Mitfahrzentrale“, stellt Maar klar.

Der österreichische Anbieter Checkrobin zum Beispiel, zu dessen Gesellschaftern Ex-Rennfahrer Niki Lauda gehört, sah sich 2015 dem Vorwurf ausgesetzt, Gepäckboten in Schwarzarbeit zu beschäftigen. Zwar stellte die Staatsanwaltschaft in Klagenfurt die Ermittlungen ein – mit der Begründung, dass eine Gewerbeberechtigung nur für Fahrer notwendig sei, die regelmäßig Auftrage von Checkrobin annähmen. Der Österreichische Fachverband für das Güterbeförderungsgewerbe, der die Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft in Klagenfurt eingebracht hatte, kritisierte jedoch diese Entscheidung. Damit werde „Steuerbetrug und illegaler Gewerbeausübung Tür und Tor geöffnet“.

Zuverlässigkeit nicht garantiert

An andere Grenzen des Einsatzes von Amateuren bei der Zustellung stieß kürzlich der Onlinehändler Amazon. Schon seit 2015 bietet der US-Konzern im Heimatmarkt über die Plattform Amazon Flex Lieferfahrten für Gelegenheits-Kuriere an. Inzwischen gibt es diesen Dienst auch in Berlin, weitere deutsche Städte und Regionen sollen folgen. Doch Anfang Februar wurden Vorwürfe gegen Amazon laut, weil ein Adressat in Florida einen Amazon-Flex-Boten im ersten Stock seines Hauses antraf. Amazon erklärte, der Zusteller habe fälschlicherweise gedacht, dass es sich bei dem mehrstöckigen Gebäude um ein Mehrfamilienhaus gehandelt habe. Doch der Vorfall sorgte für negative Schlagzeilen.

Der Bundesverband Paket & Expresslogistik (BIEK) betrachtet die Crowd Delivery-Konzepte der Sharing Economy sehr differenziert und rät der KEP-Branche, darauf zu verzichten. Die direkte Integration in der Letzten Meile biete in Deutschland keinen Mehrwert für KEP-Dienste, heißt es in der aktuellen Nachhaltigkeitsstudie des Branchenverbandes. Zudem könnte die öffentliche Wahrnehmung „negativ beeinflusst“ werden. Denn die Haftungsfrage für die Sendungen sei problematisch und die Zuverlässigkeit der Lieferung könne nicht garantiert werden. Vor allem aber drohe bei der Beschäftigung von Mikro-Jobbern, dass soziale Standards unterlaufen werden: „Dies könnte ähnliche Konflikte wie zwischen der Taxibranche und dem Fahrdienst Uber hervorrufen.“

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