Ausbau der E-Mobility: „Es wird kein ‘back to black‘ geben“

Ein E-Lkw an der Ladesäule (Foto: ThomBal/Shutterstock)
Herr Dütsch, Herr Rose, global nimmt der Anteil von E-Autos stark zu, in Deutschland allerdings hat sich der Ausbau verlangsamt. Für 2030 prognostiziert PwC knapp zehn Millionen Elektrofahrzeuge – gut fünf Millionen weniger als das offizielle Ziel. Welche Faktoren sind für Sie hierzulande ein Hindernis?
Gunther Dütsch: Zunächst muss man sagen, dass sich die Technologie selbst gut entwickelt hat. Die Reichweiten steigen, die Ladedauer sinkt, es gibt ausreichend Strom aus oft erneuerbaren Energiequellen, auch die Ausstattung mit Ladestationen ist nicht das Problem. Hier sind die Ausbauziele aktuell sogar eher zu ambitioniert angesetzt.
Woran es aber derzeit noch mangelt: An einer breiten Modellpalette, attraktiven Ladepreisen – Stichwort Senkung der Stromsteuer – und vor allem an einem klaren und verlässlichen Commitment der Politik. Dabei sind nicht einzelne Maßnahmen das Problem, sondern es fehlt ein klares Bekenntnis zur E-Mobilität als Zukunftstechnologie. Die neue Bundesregierung brachte zum Beispiel wieder E-Fuels in die Diskussion. Hier zeigte die Autoindustrie klare Vorbehalte, weil sie nicht noch einen zusätzlichen Weg beschreiten will, sondern Planungssicherheit braucht. Die neue Bundesregierung betont stärker die „Technologieoffenheit“ – das bremst aber den Hochlauf der E-Mobilität.

Denn Wirtschaft und Industrie haben nicht die Mittel, in sämtliche Technologien zu investieren und agieren dann zurückhaltender. In anderen Ländern wie etwa China sind die Rahmenbedingungen klarer.

Philipp Rose: Ein Lavieren schafft Unsicherheit bei Wirtschaft und Verbrauchern. Beispiel Wiederverkaufswert von E-Autos. Darüber wird viel gerechnet, gerätselt und spekuliert, aber alle Marktteilnehmer sind sehr vorsichtig. Die Politik könnte hier Klarheit schaffen, indem sie sich eindeutig zur E-Mobilität bekennt. Solange das nicht passiert, wird der Wiederverkaufswert ein Unsicherheitsfaktor bleiben – und das dämpft die Investitionen. Ein anderes Beispiel: Gerade in der Logistik- und KEP-Branche zeigt sich auch, dass E-Fahrzeuge langfristig finanziell besser abschneiden als Verbrenner – in Teilen ist das sogar bereits heute der Fall.
Dieser Trend beschleunigt sich, wenn die CO2-Preise wie geplant steigen. Wenn diese Steigerungen aber kassiert werden sollten, müsste neu kalkuliert werden.
„Logistiker und KEP-Dienstleister sind in der Transformation schon sehr weit“
Wie sollte die KEP-Branche zukünftig planen? Ist es Zeit für einen Kurswechsel?
Philipp Rose: Wie sollte denn ein anderer Kurs aussehen? Wasserstoff ist aktuell keine Alternative für einen flächendeckenden Einsatz im logistischen Alltag, weil er zu teuer ist. Ja, die Technologie ist erprobt und funktioniert – aber wir sehen den Preis des Wasserstoffs nicht in den Regionen, wo wir ihn brauchen würden, und auch das Tankstellennetz ist vergleichsweise dünn. Und was Verbrenner angeht: Es wird kein „back to black“ geben. Der Zenit der Verkaufszahlen des Verbrennungsmotors ist überschritten, die E-Technologie ist global faktisch bereits gesetzt. Im Grunde ist es ganz simpel: E-Mobilität ist am günstigsten, deshalb wird sie sich durchsetzen. Alle großen Logistiker setzen darauf, denn sie wissen: Die Transformation lässt sich nicht mehr aufhalten.
Es ist also keine Frage mehr ob, sondern wie schnell der Wandel erfolgt?
Gunther Dütsch: Rahmenbedingungen der Politik haben großen Einfluss auf die Geschwindigkeit von Transformationen. Werden Anreize nicht passend gesetzt – etwa im Hinblick auf die Preisparität zu Verbrennern – kann dies die Einführung neuer Technologien verlangsamen und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts beeinträchtigen. Bei der Batterieproduktion zeigte sich das bereits: Trotz anfänglicher Vorteile deutscher Hersteller sind andere Regionen heute führend. Es ist daher entscheidend, dass die Politik die Transformation aktiv begleitet und verlässliche Rahmenbedingungen schafft.
Können Partnerschaften helfen, den Ausbau voranzutreiben – etwa zwischen KEP-Dienstleistern und Energieanbietern?
Philipp Rose: Absolut, da entstehen gerade einige spannende Modelle. Vor einigen Wochen hat ein Autohersteller zusammen mit einem Stromanbieter ein interessantes Paket vorgestellt, in dem die Leasingrate mit dem Stromtarif gekoppelt war. Das heißt, das Laden ist in der Rate bereits enthalten. Der Vorteil für den Stromanbieter ist, dass er die Fahrzeugbatterie als Stromspeicher nutzen kann. Und der Autohersteller erschließt zusätzliche Käuferschichten. Auch wenn das Beispiel aus dem B2C-Bereich kommt, sind ähnliche Kooperationen auch in der KEP- und Logistikbranche denkbar – mit sehr positiven Folgen für den diskutierten Strompreisaspekt. Etwa auch, wenn es um die Finanzierung großer E-Trucks geht, sind innovative Modelle für die Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Logistikdienstleistern zentral.
Ein ganzheitlicher Blick auf die Transformation ist wichtig
Viele Logistiker und KEP-Dienstleister haben ja bereits E-Flotten im Einsatz. Worauf wird es mit Blick auf die sich verändernden Rahmenbedingungen ankommen?
Gunther Dütsch: Ebenso wie in der Politik gilt auch für die Unternehmen: Es gibt nicht die eine Maßnahme, die über Erfolg oder Misserfolg des Wandels zur E-Mobilität entscheidet. Vielmehr ist es wichtig, einen ganzheitlichen Blick auf die Transformation einzunehmen. Und das bedeutet vor allem, die Vorteile elektrischer Mobilität für sich selbst nutzbar zu machen. Also die neue Technologie konsequent in die eigenen Abläufe einbinden: mit effizienter Routenplanung, die Ladezeiten berücksichtigt, einer intelligenten Ladeinfrastruktur am Depot und unterwegs, mit Schulungen für Fahrerinnen und Fahrer oder durch die Integration von Fahrzeugdaten in bestehende IT-Systeme, um – auch mit KI-Hilfe – Wartung und Auslastung zu optimieren. Und nicht zuletzt mit einer vorausschauenden Flottenplanung, die Reichweiten, Einsatzgebiete und Total Cost of Ownership berücksichtigt.
Philipp Rose: Wer die Elektrifizierung der Flotte als Unternehmer nicht angeht, wird schnell einen Kostennachteil haben. Aber gerade die KEP-Industrie ist in dieser Transformation ja schon sehr weit. Vor allem auf der Letzten Meile ist sie ein Vorreiter gegenüber anderen Branchen, aber auch verglichen mit Privatleuten. Ich bin mir sicher: Mittelfristig werden die KEP-Flotten nahezu alle elektrisch fahren.
Wagen Sie eine Prognose für das Jahr 2030?
Philipp Rose: Ich gehe davon aus, dass bis dahin mindestens 50 Prozent der KEP-Fahrzeuge elektrisch fahren werden, eher sogar 70 Prozent.
Herr Dütsch, Herr Rose, vielen Dank für das Gespräch!