republica 2018 Fünf Fragen zu Big Data in der Logistik

Vom 2.-4. Mai trifft sich die Digitalszene auf der re:publica in Berlin. Lars Schröder, Head of Business Intelligence und Support Solutions bei Hermes Germany zeigt am Stand der Otto Group auf, wie Daten Treiber einer immer effizienteren Logistik sein können. Im Interview beantwortet er fünf Fragen zu Big Data in der Logistik.

Daten können Treiber einer immer effizienteren Logistik werden. (Foto: Shutterstock)

Big Data ist in aller Munde, die erfolgreiche Nutzung großer Datenmengen gilt für sämtliche Wirtschaftszweige als wichtiger Zukunftstreiber. Kannst du uns zum Einstieg kurz allgemein erklären, was sich hinter diesem Buzzword verbirgt?

Lars Schröder: Mit Big Data verbinde ich zunächst einmal riesige und schnell anwachsende Datenmengen, die durch das rasant steigendende Sendungsaufkommen auch bei uns im Paketbereich natürlich zuhauf anfallen. An jedem Durchlaufpunkt im logistischen Prozess, von der Einschleusung über die Sortierung bis zur Zustellung erhält ein Logistikunternehmen umfangreiche, anonyme – d.h. vom einzelnen Kunden unabhängige – Informationen über die Pakete. Wir besitzen also schon heute einen großen Datenschatz, der täglich weiter wächst.

Richtig interessant werden diese Daten aber erst dann, wenn man es als Unternehmen schafft, sie mit externen Kennzahlen wie z.B. Bevölkerungsdichte, Verkehrsaufkommen oder Social Media Buzz zusammenzubringen, um daraus neue und wertvolle Informationen für das eigene Business zu gewinnen. Auf diese Weise entstehen wertvolle Erkenntnisse, die wiederum in Maßnahmen für die Weiterentwicklung und Verbesserung von Prozessen umgesetzt werden können. Die große Herausforderung bei und der Reiz an Big Data ist es, unterschiedliche Datentypen – von strukturiert bis völlig unstrukturiert – sinnvoll  zusammenzubringen.

Was genau sind denn unstrukturierte Datentypen?

Lars Schröder: In der Paketlogistik sind die Mengenplanung und die Fähigkeit auf Peaks flexibel reagieren zu können sehr wichtig. Ein Beispiel für unstrukturierte Datentypen wären Informationen aus dem Social Web, die sich für eine bessere Planung nutzen lassen: Kündigt einer unserer Auftraggeber eine große Rabattaktion über die sozialen Kanäle an, ist mit einem erhöhten Sendungsaufkommen zu rechnen. Ein anderes Beispiel ist die gezielte Verarbeitung und Weiterverwertung des umfangreichen Kundenfeedbacks, das uns erreicht, mit Hilfe von Algorithmen. Diese sind in der Lage, E-Mails automatisch in „Lob“ und „Kritik“ aufzuteilen und an entsprechende Mitarbeiter zu steuern. Das ist bei einem stetig steigenden Sendungsaufkommen und im Schnitt zwei Millionen zugestellten Paketen am Tag zu einer Peak-Zeit wie Weihnachten eine nicht zu verachtende Vereinfachung von Prozessen.

Lars Schröder, Head of Business Intelligence & Support Solutions

Logistische Prozesse datengetrieben und situativ flexibel steuern

Welche Datenschätze gibt es aus Sicht der Logistik zu heben? In welchen Bereichen der Supply Chain kann Big Data logistische Prozesse unterstützen/noch effizienter gestalten?

Lars Schröder: Zum einen kann man Daten der Vergangenheit, z.B. die Laufzeit von Sendungen auf Tages-, Wochen- oder Monatsbasis, nutzen, um zu analysieren wie gut wir unsere Leistung erbracht haben und gegebenenfalls Verbesserungspotenzial daraus ableiten. Die richtigen Schätze liegen jedoch in der Zukunftsbetrachtung, sprich: Was wird passieren und wie können wir es beeinflussen? Big Data bietet die Chance, logistische Prozesse datengetrieben und stärker situativ flexibel zu steuern. So kann sich beispielsweise ergeben, dass es für einen Auftraggeber, der heute seine Pakete am Umschlagpunkt A in das Netz einsteuert, morgen vorteilhafter ist, dass dies am Umschlagpunkt B geschieht. So können Mengenschwankungen und Durchlaufzeiten von Paketen effizienter gesteuert und ausgeglichen werden. Für diese Art der Gesamtbetrachtung und Steuerung bedarf es guter Prognosen sowie umfangreicher und verlässlicher Daten, etwa zum aktuellen Zustand des Logistiknetzes.

Hast du einen konkreten Anwendungsfall aus der Logistik-Praxis bei Hermes, der zeigt wie Big Data erfolgreich genutzt werden kann oder konnte?

Lars Schröder: Wir haben uns sehr intensiv mit dem PaketShop-Netz auseinandergesetzt: Für potenzielle neue Standorte können wir seit geraumer Zeit anhand von Informationen wie Bevölkerungsdichte, Öffnungszeiten, Geschäftsart, Entfernung zu großen Straßen oder Einkaufszentren etc. sehr zuverlässig eine Aussage treffen, wie gut diese Adresse als Standort geeignet ist. Wir stochern also nicht im Nebel, sondern wissen ganz klar, wo akuter Bedarf nach zusätzlichen Annahmestellen besteht – und wo eben auch nicht.

Datenschutz hat Priorität

Welche großen Herausforderungen sind aus deiner Sicht zu meistern, wenn es darum geht, das gesamte Potenzial von Big Data auszuschöpfen?

Lars Schröder: Elementare Voraussetzung sind natürlich die Daten. Stimmt die Datenqualität und sind die Daten vollständig genug, um daraus belastbare Erkenntnisse zu ziehen? Die Digitalisierung schreitet voran und es werden dadurch immer mehr Daten erhoben. Dennoch gibt es, bezogen auf den gesamten logistischen Prozess, noch „digitale“ Lücken, die wir peu á peu schließen müssen. Auch Datenschutz ist ein wichtiges Thema: Bei all den Analyse- und Auswertungsmöglichkeiten, die es heute gibt, müssen Datenschutzbestimmungen vollumfänglich eingehalten werden und das in jedem einzelnen Prozessschritt. Dazu gehören beispielsweise Clusterverfahren oder Anonymisierungen, um Rückschlüsse auf einzelne Personen auszuschließen.

Die Automatisierung braucht den Menschen

Stichwort „Industrie 4.0“: Wird es auf absehbare Zeit mit Hilfe digital vernetzter Systeme und Big Data eine vollautomatische Logistik geben, die ganz ohne den Menschen auskommt?

Lars Schröder: Ein ganz klares Nein! Natürlich helfen uns Daten enorm dabei, den logistischen Prozess effizienter und für den Kunden komfortabler zu gestalten. Mengenschwankungen etwa können durch Algorithmen genau antizipiert werden. Das Internet of Things in Kopplung mit Künstlicher Intelligenz ermöglicht es uns zudem künftig immer besser, unterschiedliche Geräte wie Sorter, Scanner, Fahrzeuge oder Paketboxen miteinander zu vernetzen. Und das sind nur zwei Beispiele, bei denen Daten zum Einsatz kommen. Solche Prozesse tragen natürlich zu einer höheren Automatisierung der logistischen Steuerung bei. Aber: Für diese „Technisierung“ werden Menschen benötigt. Hermes beschäftigt heute allein in Deutschland mehrere hundert IT-Spezialisten – Tendenz steigend. Genauso wird es – zum Glück! – auf absehbare Zeit auch weiterhin Menschen geben, die als Zusteller oder in einem unserer Logistik-Center tätig sind. Roboter und autonome Fahrzeuge können hier derzeit bestenfalls eine wertvolle Ergänzung sein.

Vielen Dank für die Einblicke, Lars!

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