Hintergrundinterview NABU Hamburg Naturnahe Betriebsgelände als ökologische Trittsteine

Die Kooperation mit dem Naturschutzbund Deutschland gehört für Hermes Germany bei der Gestaltung seiner Logistik-Standorte zu einem ganzheitlichen Nachhaltigkeitskonzept. Tobias Hinsch, Geschäftsführer des NABU Hamburg, erklärt im Interview, inwieweit sich industrielle Flächennutzung und Natur- und Umweltschutz verbinden lassen.

Das 2019 eröffnete Hermes Logistik-Center in Hamburg liegt an der Bille in Billbrook. Im Rahmen des Baus wurde an der Uferböschung ein Blühstreifen angelegt, an den Lampenmasten wurden Haussperlingshilfen sowie unterhalb der Uferböschung Eisvogel- und Uferschwalbenniströhren installiert. (Foto: Hermes/Ibrahim Ot)

In den vergangenen Jahren hat Hermes Germany umfassende Investitionen in sein Logistiknetzwerk getätigt und neue Logistik-Center in Bad Rappenau, Mainz, Graben bei Augsburg, Hamburg, Halle/Leipzig, Münster/Osnabrück und Ketzin bei Berlin sowie Hochleistungsdepots in Witten und Weyhe bei Bremen eröffnet. Neben der Leistungsfähigkeit der Verteilzentren waren Nachhaltigkeitsaspekte zentral bei Konzeption und Bau der Standorte. Entsprechend sind alle mit einer Gold-Zertifizierung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) ausgezeichnet. Ältere Standorte des Logistikdienstleisters werden fortlaufend energetisch optimiert und saniert. Seit dem Frühjahr 2020 befindet sich beispielsweise ein Energiekonzept in der Umsetzung, das auf eine effizientere Energienutzung und nachhaltige Energieerzeugung an älteren Standorten setzt.

Hermes Germany nimmt in Hamburg Teil am Projekt UnternehmensNatur.
Hermes Germany nimmt in Hamburg am Projekt UnternehmensNatur teil. Es zeigt Wege auf, wie Firmen durch die naturnahe Gestaltung und Pflege ihres Betriebsgeländes wertvolle Lebensräume für Tiere und Pflanzen schaffen. (Quelle: NABU Hamburg)

An zahlreichen Standorten seines Netzwerks hat sich der Paketdienstleister zudem die Expertise der Ortsverbände des Naturschutzbundes Deutschland (kurz: NABU) eingeholt, um auf den Betriebsgeländen Lebensraum für gebietsheimische Pflanzen und Tiere zu schaffen. So nennen die Logistik-Center Langenhagen sowie Leipzig Insektenhotels ihr Eigen, an Hermes Logistik-Centern bundesweit wurden passende Baum- und Strauchbepflanzungen realisiert und die Zentrale des Paketlogistikers in Hamburg-Langenhorn ist z.B. aufgrund der Installation von Fledermausquartieren als „Fledermausfreundliches Haus“ ausgezeichnet. Im Interview erklärt  Tobias Hinsch, Geschäftsführer des NABU Hamburg, inwieweit sich industrielle Flächennutzung und Natur- und Umweltschutz verbinden lassen.

 

Die Bebauung von Flächen und Natur- und Umweltschutz – wie passt das zusammen? Welche Möglichkeiten haben Unternehmen, um Flora und Fauna in ihren Standortkonzepten über gesetzliche Mindestanforderungen hinaus zu berücksichtigen?

Tobias Hinsch: Viele Unternehmensstandorte umfassen große Flächen, die teilweise (temporär) nicht genutzt werden. Sie bieten somit ein großes Potenzial, naturnahe Flächen und ökologische Trittsteine zu bilden und so Lebensräume zu verknüpfen. Es gibt dabei viele Möglichkeiten, die Artenvielfalt zu unterstützen, sowohl am Gebäude als auch auf dem Gelände. Ob Dach- und Fassadenbegrünungen, Nisthilfen, Wildblumenwiesen, Kleingewässer oder Wildsträucher – vieles ist gerade in diesem Bereich möglich und leicht umsetzbar. Eine insektenfreundliche Beleuchtung kann ebenfalls einen Beitrag leisten. Durch die Minimierung von Versiegelung zum Beispiel mittels Rastergittersteinen kann Niederschlag besser abfließen und die Fläche heizt sich nicht so stark auf. Wenn zusätzlich noch einige Bäume angepflanzt werden können, z.B. auf Parkplätzen zwischen Parkbuchten, wird der kühlende Effekt noch verstärkt. Auch eine Dach- oder Fassadenbegrünung kann zu einem besseren Klima am und im Gebäude beitragen und man kann Energiekosten sparen. Mitarbeitende können die Mittagspause oder ein Meeting im Grünen abhalten und vielleicht dabei die ein oder andere Naturbeobachtung machen. Eine naturnahe Gestaltung des Firmengeländes hat folglich nicht nur Vorteile für die Natur, sondern auch Mitarbeitende und Kunden können profitieren.

 

Wie hat sich die Kooperation von Hermes Germany und dem NABU an den neu gebauten Logistikstandorten bundesweit gestaltet? Wie kann man sich solch eine Kooperation genau vorstellen?

Tobias Hinsch: Die Idee, Hermes bei seinen Bauprojekten zu beraten, entstand in Hamburg. Für die Zentrale stand zunächst der Artenschutz am Gebäude im Fokus, später kamen die Außenflächen hinzu. Für die Standorte außerhalb Hamburgs wurde auf die große Stärke des NABU als breit aufgestellter Verband mit vielen lokalen Gruppen zurückgegriffen. Von Hamburg aus haben wir zu den jeweiligen NABU-Experten vor Ort vernetzt, die ihr Wissen zu den Gegebenheiten vor Ort eingebacht haben. Naturverluste durch Neubauten sind aus Sicht des Naturschutzes immer schmerzhaft. Die regionalen NABU-Untergliederungen haben durch ihre Beratung dafür gesorgt, dass sowohl der gesetzlich vorgeschriebene Ausgleich als auch freiwillige Maßnahmen, die darüber hinausgingen, möglichst wirkungsvoll ausgefallen sind.

In Hamburg hat der Landesverband NABU sowohl in der Hermes-Zentrale als auch am 2019 eröffneten Logistik-Center in Billbrook verschiedene Maßnahmen angeregt, die umgesetzt wurden. Welche sind das genau? Und was bringen sie Tier- und Pflanzenwelt konkret?

Tobias Hinsch: Am Logistik-Center in Billbrook wurde die Begrünung der Gelände aufgewertet durch die Pflanzung von Bäumen und Sträuchern. Sie bieten Unterschlupf und Nistmöglichkeiten für viele Tiere, sowie Nahrung. Auch an einer Uferböschung wurde mit einer speziellen Saatmischung ein Blühstreifen angelegt, der ein reiches Blühangebot für viele Insekten bietet. Es wurde hierbei darauf geachtet, dass gebietsheimische Arten und regionales Saatgut verwendet werden, da diese an die hiesigen Standortbedingungen angepasst sind. Im Laufe der Evolution haben sich auch die Bestäuber und Pflanzen aufeinander abgestimmt, sodass sie auf den jeweils anderen angewiesen sind.

Des Weiteren wurden an den Standorten einige Nisthilfen für verschiedene Vogelarten installiert. In Gewässernähe finden nun Eisvögel und Uferschwalben ein Quartier und an den Gebäuden wurde die Anzahl der Nisthilfen für Sperlinge und Mauersegler verdoppelt. Insbesondere die Gebäudebrüter haben es in Hamburg immer schwerer, geeignete Quartiere zu finden, da die Spalten an Häusern durch Sanierungsarbeiten verschlossen werden und bei Neubauten meist keine Nistmöglichkeit mehr zu finden ist. Auch Fledermäuse sind von diesem Problem betroffen. Daher wurden an der Hermes Zentrale am Verwaltungsgebäude und an den Lagerhallen Fledermausquartiere installiert.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

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