Innenstadtlogistik: Lastenräder im Einsatz: Wendig, flexibel, emissionsfrei
Wenn Sille Kongstad mit ihrem Lastenfahrrad durch Kopenhagen radelt, dann bietet sich ein kurioses Bild in der fahrradverrückten, dänischen Hauptstadt. Denn: Kongstad ist Bestatterin und transportiert auf ihrem umgebauten Lastenfahrrad Särge. Ein sehr ungewöhnliches Beispiel, das jedoch zeigt: Die Einsatzmöglichkeiten für Lastenräder sind sehr breit gefächert. Deshalb gewinnen sie vor allem für den Wirtschaftsverkehr enorm an Bedeutung.
Verstopfte Straßen, Umweltverschmutzung, knapper Parkraum – das sind nur ein paar Probleme, mit denen sich moderne Innenstädte heute auseinandersetzen müssen. Alternative Mobilitätsangebote werden dringend benötigt. Das betrifft auch die urbane Logistik. Und genau da können Lastenräder ein wichtiger Bestandteil nachhaltiger Zustellkonzepte sein – mit und ohne Elektromotor.
Hermes testet Elektromobil TRIPL
Hermes testet beispielsweise seit Anfang Mai in Kooperation mit der dänischen Firma EWII die Paketzustellung mit dem Elektromobil TRIPL in Göttingen. Mit einem Ladevolumen von 750 Litern können mit dem Fahrzeug 40 bis 60 Sendungen transportiert werden. Das Elektromobil liefert aber nicht nur emissionsfrei, sondern kann auch Straßen und Wege nutzen, die für konventionelle Transporter gesperrt sind. Das spart Zeit und vereinfacht die Zustellung.
Auch zahlreiche andere Lieferdienste haben die Zweiräder zunehmend im Einsatz – von der Pizza für zu Hause, über das Obst fürs Büro bis hin zum frischen Fisch fürs Restaurant. Das kommt gut an bei einer Konsumentengruppe, die immer mehr Wert auf ökologisch vertretbare Zustellung legt. Selbst Handwerker und andere Dienstleister greifen immer häufiger auf die alternativen Fahrzeuge zurück, weil sie ihre wertvolle Zeit nicht im Stau oder bei der Parkplatzsuche verlieren wollen.
In Paris kombiniert zum Beispiel das Unternehmen Vert chez Vous seine 18 Elektro-Lastenfahrräder mit einem Schiff auf der Seine, das als schwimmendes, mobiles Verteilzentrum fungiert. Die E-Lastenfahrräder werden direkt am Schiff beladen und die Akkus dort aufgeladen. Mehrmals täglich fahren die E-Lastenfahrräder die fünf Anlegestellen an und nehmen ihre Ladung entgegen.
Politik unterstützt vielerorts Anschaffung von Lastenrädern
Das Interesse der Politik an den Lastenrädern steigt. Kein Wunder: Eine Studie im Rahmen des EU-Projektes Cycle Logistics hat ergeben, dass 50 Prozent des innerstädtischen Warenverkehrs und 90 Prozent der privaten Einkäufe per Fahrrad erfolgen könnten. Zahlreiche Städte und Landesregierungen unterstützen inzwischen den Erwerb von Lastenrädern. Das Verkehrsministerium in Baden-Württemberg fördert E-Lastenräder für Unternehmen, Körperschaften und gemeinnützige Unternehmen mit bis zu 2.000 Euro. In Berlin unterstützt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit das Projekt Velogut, das Unternehmen in der Hauptstadt Lastenräder bis zu drei Monte kostenfrei zur Verfügung stellt. Und wer sich in München selbst für private Zwecke ein Lastenfahrrad kauft, erhält 1.000 Euro Zuschuss.
Die Vorteile gegenüber Kraftfahrzeugen liegen auf der Hand. In vielen Innenstädten beträgt die durchschnittliche Geschwindigkeit mit dem Auto gerade noch knapp über 20 Kilometer in der Stunde. Lastenräder mit elektronischer Unterstützung kommen häufig nicht nur schneller durch den Verkehr, sie können auch ganz andere Strecken nutzen.
Große Auswahl an Herstellern und Modellen
Gab es vor ein paar Jahren nur wenige verschiedene Lastenräder, können Unternehmen heute zwischen Dutzenden Herstellern und Modellen auswählen – vom wendigen Lieferpedelec, das im Jahr bis zu 15.000 Kilometer fährt, bis hin zu Schwertransportern, die eine Zuladung von bis zu 300 Kilogramm schaffen.
Die Anschaffung der Räder ist mit Preisen ab 3.000 Euro aufwärts allerdings alles andere als günstig. Unternehmen sollten sich genau überlegen, ob und wie Lastenräder in den Fuhrpark integriert werden können. Und welche Lastenradtypen für den Einsatz am geeignetsten sind. Inzwischen werden die Fahrzeuge von Herstellern und Händlern auch zum Leasing angeboten. Wissenschaftler des Fraunhofer Instituts für Materialfluss und Logistik haben untersucht, ob sich ein Verleihsystem für Transporträder etablieren ließe. Das Ergebnis: Ein solches System wäre sinnvoll, aber nur über Nutzungsgebühren schwer zu finanzieren.
Es ist wie so oft bei den alternativen Mobilitätskonzepten: Nur wenn Bürger, Unternehmen und Politik zusammen helfen, kann es auch ein Erfolg werden.