Zertifizierung von Servicepartnern „Es geht um stetige Verbesserung“

Seit 2012 überprüft SGS-TÜV Saar die für Hermes tätigen Servicepartner. Untersucht wird u.a. die Einhaltung von Mindestlohn- und Arbeitszeitgesetzen. Doch wie genau läuft so ein Test eigentlich ab? Und wie sicher und belastbar sind die Ergebnisse?

Paketzusteller in Hamburg. (Foto: Hermes)

Hermes setzt seit Jahrzehnten bundesweit unabhängige Logistikunternehmen ein, die als Servicepartner große Teile der Paketzustellung für Hermes durchführen. Seit über fünf Jahren werden diese Unternehmen regelmäßig von SGS-TÜV Saar untersucht. Hintergründe zum Prüfprozess erläutert Dirk Schmidt, Projektleiter, Certification and Business Enhancement der SGS-Gruppe Deutschland, die die Prüfung durchführt.

Herr Schmidt, seit 2012 werden Servicepartner, die im Auftrag von Hermes Sendungen zustellen, von unabhängigen Prüfern untersucht. Wie läuft so ein Audit ab?

Dirk Schmidt: Bei den Audits nehmen unsere Experten vor Ort bei den einzelnen Servicepartnern umfangreiche Betriebsprüfungen vor. Diese sind sehr detailliert und dauern mehrere Stunden. Schwerpunkt ist die Kontrolle relevanter Unterlagen zu den Themen Beschäftigung und Dienstleistungsmanagement. Diese Dokumente müssen sowohl in sich stimmig sein als auch im Abgleich mit anderen Unterlagen

Ein Beispiel: Unsere Auditoren kontrollieren die Arbeitsverträge der Zusteller, die Anmeldung bei den Sozialversicherungen und die Aufzeichnungen der Arbeitszeiten. Diese gleichen sie in so genannten Cross-Check mit den Scannerdaten der Auslieferungen ab sowie mit Lohnabrechnungen, Überweisungsnachweisen oder Barzahlungsquittungen.

Welche Bereiche prüfen Sie bei einem Audit? Wo liegt der Schwerpunkt?

Dirk Schmidt: Schwerpunkt des Audits liegt auf den Themen Dienstleistungsmanagement und Beschäftigung. Im Fragenkatalog geht es beispielsweise um die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zum Mindestlohn, Regelungen zu Urlauben und Überstunden oder strukturelle Fragen zum Betrieb. Dabei enthält der Prüfplan einzelne K.O.-Kriterien, die auf jeden Fall positiv bewertet werden müssen, ansonsten wird das Audit nicht bestanden. Diese K.O.-Kriterien sind zum Beispiel Arbeitszeitverstöße oder eine etwaige Scheinselbstständigkeit.

„Wissen, wo wir hinschauen müssen“

Ist das Prüfverfahren individuell für Hermes entwickelt worden oder nutzen Sie ein Standardverfahren?

Dirk Schmidt: Die SGS ist das weltweit führende Prüf- und Zertifizierungsunternehmen und führt in vielen Ländern der Welt und in vielen unterschiedlichen Industrien vergleichbare Audits durch. Der Prüfkatalog für die Audits bei Hermes wurde speziell hierfür erstellt. Über die Jahre wurde er dabei fortwährend weiterentwickelt.

2017 werden alle Servicepartner und deren Subunternehmer neu auditiert – ein umfangreiches Projekt. Ist das in 12 Monaten überhaupt ohne Qualitätseinbußen zu schaffen?

Dirk Schmidt: Die SGS verfügt über umfangreiche Erfahrungen bei der Durchführung großer Zertifizierungsprojekte. Wir haben ein großes Netzwerk an qualifizierten Auditoren und sind daher zuversichtlich, dass wir in diesem Jahr alle Auditierungen vornehmen können.

SGS arbeitet für Hermes bereits im fünften Jahr. Wie hat sich die Zusammenarbeit, aber auch die Auditierung der Servicepartner seitdem entwickelt?

Dirk Schmidt: Ich begleite gemeinsam mit meinem Team das Zertifizierungsprojekt bereits seit dem Start in 2012. Durch diese langjährige Erfahrung haben wir unsere internen Prozesse und auch die Audits kontinuierlich verbessert. So wissen wir mittlerweile sehr genau, wo wir bei den zu prüfenden Betrieben besonders intensiv hinschauen müssen. Auf Seiten der für Hermes tätigen Servicepartner beobachten wir zudem einen Meinungswandel. Anfangs wurden unsere Audits vielerorts kritisch beäugt. Heute sehen viele Betriebe vermehrt die positiven Seiten. Denn durch den externen Blick unserer Auditoren erhalten die Servicepartner auch zahlreiche Hinweise, was in ihren Betriebsabläufen noch nicht rund läuft und was sie besser machen können. Das wird von vielen als echte Hilfestellung gesehen.

„Es geht nicht um reine Kontrolle“

Sind Auditierungen, wie Sie sie für Hermes durchführen, in der Logistikbranche üblich?

Dirk Schmidt: Für die SGS-Gruppe Deutschland ist Hermes der einzige Kunde aus dem Logistiksektor, der in diesem Umfang solche Audits durchführen lässt. Ich persönlich kenne aktuell auch kein anderes Unternehmen aus der Paketbranche, das vergleichbare Audits bei seinen Partnern und Dienstleistern durchführen lässt.

Zertifizierungen und Gütesiegel sind in der Öffentlichkeit nicht unumstritten. Wie wirksam ist Ihre Auditierung wirklich?

Dirk Schmidt: Auditierungen durch externe Prüfinstitute haben auf jeden Fall einen positiven Effekt – nicht nur, was die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit angeht sondern auch innerhalb des Unternehmens. Es geht ja bei den Audits nicht nur um die reine Kontrolle, sondern um stetige Verbesserung. Ein Audit ist stets ein Werkzeug in einem langfristigen Optimierungsprozess. Der überprüfte Servicepartner bekommt Schwachstellen aufgezeigt, an denen er arbeiten muss. Parallel erhält Hermes ebenfalls wertvolle Rückmeldungen darüber, wie die Zusammenarbeit mit den Partnern funktioniert und wo Verbesserungen möglich oder gar notwendig sind.

Unsere Erfahrungen – zum Beispiel im Rahmen von ISO 9001-Zertifizierungen – zeigen dabei deutlich, dass Audits tatsächlich einen Prozess der ständigen Verbesserungen anstoßen. Es lassen sich merkliche Unterschiede zwischen Unternehmen beobachten, die sich zertifizieren lassen und sich externen Audits stellen und denen, die das nicht machen.

Audits sind Momentaufnahmen

Kann selbst ein umfangreicher Prüfprozess, wie Sie ihn für Hermes umsetzen, etwaige Betrugsversuche oder Verstöße wirklich verhindern? Und was tun Sie, um mögliche Schlupflöcher für „schwarze Schafe“ möglichst von vornherein zu schließen?

Dirk Schmidt: Das Audit ist so angelegt, dass Manipulationen äußerst schwer möglich sind. Unsere erfahrenen Prüfer sind entsprechend geschult und erkennen in der Regel die Signale für eine bewusste Manipulation. Durch den Zuschnitt der Prüfung sind etwaige Manipulationen nur mit einem sehr hohen Aufwand und mit krimineller Absicht möglich. Vor allem die Cross-Checks zwischen einzelnen Dokumenten erschweren etwaige Betrugsversuche.

Generell ist ein Audit jedoch zwangsläufig immer eine Momentaufnahme, die keine hundertprozentige Garantie geben kann. Aus diesem Grund gibt es auch die regelmäßigen Wiederholungsprüfungen. Denn mit der Durchführung mehrerer Audits können etwaige Abweichungen – so auch solche, die durch Manipulation entstanden sind – noch leichter aufgedeckt werden.

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