Mobilität Welche alternativen Antriebe werden die Zukunft der (Paket-)Logistik prägen?

Bis 2030 sollen 15 Millionen E-Fahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs sein – soweit die Planungen der Bundesregierung. Die Automobilindustrie will die Produktion für Verbrennermotoren sukzessive herunterfahren und investiert in Elektromodelle und Wasserstofftechnologie. Weitere Antriebsformen werden zusätzlich diskutiert.
Alternative Energie

(Foto: r.classen/Shutterstock.com)

Die Neuzulassungen für Elektroautos in Deutschland steigen monatlich, auch die Flotten deutscher Logistikunternehmen und Paketdienstleister werden zunehmend elektrifiziert. Die große Mehrheit der Fahrzeuge ist im Jahr 2022 aber noch mit Verbrennern unterwegs – wie lange noch? In der neuen Folge von „Lieferzeit. Der Logistik-Podcast“ diskutiert Moderator David Siems mit Dr. Ralf Petri, Geschäftsbereichsleiter Mobility beim Verband Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V. (VDE) den Status quo der Elektromobilität sowie die Möglichkeiten weiterer alternativer Antriebsformen wie Wasserstoff, E-Fuels, Solarenergie und sogar Kompost.

Erlebt die Elektromobilität auf Deutschlands Straßen und in der (Paket-)Logistik im Jahr 2022 einen echten Boom? Diese Frage lässt sich aus verschiedenen Perspektiven beantworten. Auf der einen Seite ist da die Automobilindustrie, die herstellerübergreifend ihre Modelle mittlerweile so anbietet, dass es für nahezu jeden Fahrzeugtyp auch eine Elektrovariante gibt. Ob Kleinwagen, Limousine oder Minivan: Es drängt sich der Verdacht auf, dass Elektromobilität auf der Überholspur in Richtung Mitte der Gesellschaft ist. Laut ADAC gab es, was Pkw angeht, im September 2022 ein Plus von 38,7 Prozent bei den Neuzulassungen für E-Autos im Vergleich zum Vormonat. Staatliche Förderungen machen die Kaufentscheidung für Verbraucher einfacher, zudem wird die Ladeinfrastruktur in Deutschland immer weiter ausgebaut, um die Anzahl der Ladepunkte signifikant zu erhöhen. Sind deutsche Autofahrer*innen ebenfalls vom Hype elektrifiziert? Wenn man die Perspektive wechselt, kann man sagen: nur bedingt – im Januar 2022 lag der Anteil von E-Autos und Hybrid-Modellen bei gerade einmal bei 1,3 Prozent. Wie lässt sich das im „Autoland Deutschland“ ändern? Und welche Rolle spielen deutsche Paketlogistiker?

Dr. Ralf Petri (Foto: Uwe Nölke)

Bei „Lieferzeit. Der Logistik-Podcast“ diskutieren Dr. Ralf Petri und Moderator David Siems diese und weitere Fragen rund um die Elektromobilität. Zum vermeintlich schleppenden Boom sagt Petri: „Das liegt auch daran, dass wir aktuell immens viele Pkw im Markt haben. Wenn Sie berücksichtigen, dass ein Fahrzeug eine Nutzungsdauer von zehn bis 15 Jahren hat, dann sind das schon wahnsinnig lange Zeiten. Dann ist es klar, dass es länger braucht, bis sich die Fahrzeuge tatsächlich im Markt durchsetzen. Die Politik gibt im Prinzip in ihrem Masterplan vor, dass wir bis 2030 in Summe 15 Millionen Elektrofahrzeuge auf den Straßen sehen.“

Elektromobilität und emissionsfreie Zustellung auf der Überholspur

Die deutsche Paketlogistikbranche hat bereits früh reagiert und investiert seit einigen Jahren in die Elektrifizierung ihrer Flotten. Vor allem in urbanen Gebieten und auf der Letzten Meile kommt das Zusammenspiel von elektrisch betrieben Transportern und Cargobikes zum Tragen, um eine emissionsfreie Zustellung zu ermöglichen. Während die Automobilindustrie in der Neuentwicklung von Fahrzeugen aktuell vorrangig in Elektrofahrzeuge investiert, stehen aber auch weitere alternative Antriebsformen im Raum. Nicht nur im Schiffsverkehr, sondern auch im Bereich der Langstrecke auf Straßen setzen sich Expert*innen immer wieder für Wasserstoff als Antriebsform ein: „Wasserstoff hat den Charme, dass es eine extremst hohe Energiedichte hat. Dementsprechend braucht man keine schweren Batterien. Das hat wiederum einen positiven Effekt auf das Thema Zuladung“, erklärt Ralf Petri. Und ergänzt: „Am Ende geht es in der Logistik darum, dass Sie die Kosten runterbringen. Viele Leute wollen am Ende der Logistik eigentlich kein Geld bezahlen. Deswegen stehen die Kolleginnen und Kollegen aus dem Sektor natürlich unter einem großen Kostendruck.“

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In der aktuellen VDE-Studie „Das Antriebsportfolio der Zukunft“ wurden 27 führende Topmanager*innen und Politiker*innen nach den Antriebsformen der Zukunft befragt. Der Trend geht zu einer schrittweisen, zweigleisigen Entwicklung mit Strom- und Wasserstofffahrzeugen, die beide gefördert werden sollen. Ein Vorhaben, das auch Bosch-Geschäftsführer Markus Heyn begrüßen dürfte, der eine allzu einseitige Ausrichtung der Autoindustrie auf die Batterie-Elektromobilität für riskant hält: „Wir sehen ja gerade, welche Folgen der Gasmangel für Deutschland und Europa hat, weil wir zu wenig Alternativen vorbereitet haben. In der Autoindustrie sollten wir uns aus diesem Anlass fragen, was wir tun können, sollte es einmal zu wenig Batteriezellen geben. In diesem Fall wünsche sich sicher jeder eine Alternative zum Batterieantrieb. Diese wird es aber nur geben, wenn wir sie rechtzeitig vorbereitet haben“, sagt Heyn in einem Interview mit den Stuttgarter Nachrichten.

Während die Anzahl der Flotten für E-Fahrzeuge steigt und Wasserstoff sich mutmaßlich langfristig auch als Antriebsform etablieren wird, gibt es auch noch eine weitere Alternative: E-Fuels. Als E-Fuel werden synthetische Kraftstoffe bezeichnet, die mittels Strom und Wasser aus CO2 hergestellt werden. Dieser Prozess wird als „Power-to-fuel“ bezeichnet. „Gerade E-Fuels sind für Bestandsfahrzeuge sehr interessant, weil die Fahrzeuge dementsprechend nicht umgerüstet werden müssen und es damit eigentlich eine ökonomisch sinnvolle Möglichkeit der Dekarbonisierung ist“, sagt Ralf Petri.

Elektromobilität bei Hermes: E-Sprinter & Cargobikes auf der Überholspur

Was die Elektromobilität angeht, so ist die deutsche KEP-Branche ein Teil des Elektrifizierungsprozesses auf deutschen Straßen. Von den über 4,5 Milliarden Sendungen im Jahr 2021 werden zukünftig immer mehr Lieferungen auf der Letzten Meile emissionsfrei zugestellt. Der Paketlogistiker Hermes Germany hat 2021 in Berlin mit „Green Delivery“ eine Blaupause für nachhaltige City-Logistik geschaffen. Nachdem seit über einem Jahr bereits große Innenstadtbereiche von Berlin ausschließlich mit Elektrofahrzeugen ohne CO2-Emissionen beliefert werden, hat Hermes im Zuge von „Green Delivery Hamburg“ vor, erstmals den Großteil einer ganzen Stadt emissionsfrei zu beliefern. Dafür fährt das Logistikunternehmen schrittweise die elektrisch und damit emissionsfrei auf der Letzten Meile bewegten Sendungsmengen für Hamburg hoch. Startpunkt war der Spatenstich für das neue E-Mobility-Hub in Billbrook im Juli 2022, das die Ladeinfrastruktur des Logistikers um ein Vielfaches vergrößern wird. Hinzu kommen weitere Zustellbasen, die elektrifiziert werden. Mit Abschluss der Umstellung Ende 2023 sollen dann in vielen weiteren Postleitzahlgebieten der Hansestadt ausschließlich vollelektrisch betriebene Fahrzeuge Sendungen emissionsfrei transportieren.


Zur Person

Dr. Ralf Petri leitet den Geschäftsbereich Mobility beim Verband Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V. (VDE) in Offenbach und beschäftigt sich neben verschiedenen Antriebsformen vor allem mit Sicherheitsfragen der Elektromobilität. Weitere Infos: www.vde.com

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