Transport: Der Kanal ist frei: Wasserwege in der Citylogistik
In Venedig ist die Auslieferung von Paketen über Kanäle eine Selbstverständlichkeit. Zum schwimmenden Kurierdienst gibt es für die meisten Transporte in der Lagunenstadt keine Alternative. Doch auch anderswo gewinnt der städtische Lastenverkehr über Flüsse, Grachten oder Fleete wieder an Bedeutung – als ebenso effiziente wie emissionsarme Alternative zu Fahrten durch verstopfte Zentren.
So werden in Amsterdam Schiffe schon seit Jahren zur Verteilung von Sendungen über die Grachten eingesetzt. Die Verteilung von den Anlegestellen zu den Adressaten übernehmen Fahrradkuriere. Per Schiff und Rad finden die Pakete deutlich schneller und umweltschonender das Ziel, als beim Transport mit Autos durch den dichten Stadtverkehr.
In Paris versorgte das Unternehmen „Vert chez vous” seine Lastenfahrrad-Kuriere mehrere Jahre per Schiff. Im Seine-Hafen Tolbiac am östlichen Stadtrand wurde das Binnenschiff beladen, das als Transportmittel aber auch als schwimmendes Auslieferungslager diente. Denn an Bord wurden die bis zu 3.000 Pakete pro Fahrt nach verschiedenen Touren sortiert und an Stopps entlang der Seine auf Lastenräder verteilt. Zu den Kunden von „Vert chez vous”, die auf diesem Wege ihre Waren im Pariser Stadtzentrum versandten, zählten ein Pharmakonzern, ein Champagner-Hersteller und ein Anbieter von Kosmetika. Nach der Übernahme des Unternehmens und der Neuausrichtung der Strategie wurde der Schifftranspransport aber 2014 wieder eingestellt.
Per Schiff und Lastenrad umweltschonend ans Ziel
Derzeit testet Göteborg den Einsatz von Lastkähnen auf dem Fluß Göta Alv, die außerhalb der Stadt mit Container beladen werden, deren Inhalt dann ebenfalls mit Lastenfahrrädern und Elektrotransportern zugestellt wird. Das schwedische Pilotprojekt ist Teil der 2015 landesweit gestarteten Initiative „Den City“. Damit sollen Erkenntnisse über die Möglichkeiten multimodaler Transportketten auf Straßen und Wasser gewonnen werden. Nach Einschätzung des schwedischen Forschungsinstituts SSPA, bietet die Integration städtischer Wasserwege nicht nur Potenziale für den Transport von Gütern in urbane Zentren, sondern ebenso für den Abtransport von Müll.
So könnten in Göteborg künftig Lastkähne mit Elektroantrieb einen Teil der Transporte zur Müllverbrennungsanlage am Stadtrand übernehmen. Bereits 2011 initiierte Göteborg das Citylogistik-Konzept „Stadsleveransen“ (Stadtlieferung). Ziel dieser Initiative ist es, mit der Umstellung der Belieferung in der Stadt Abgase und Staus zu vermeiden und so zum schwedischen Klimaschutzziel beizutragen, die Netto-Emission von Treibhausgasen bis 2045 auf Null zu bringen. Im Zentrum Göteborgs übernehmen Lastenräder und Elektrofahrzeuge immer mehr innerstädtische Transporte und beliefern Geschäfte und Büros in Teilen der Innenstadt, die die meiste Zeit des Tages für den LKW-Verkehr gesperrt sind.
Das österreichische Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie ließ schon 2013 analysieren, wie eine moderne Citylogistik per Wasser und Rad über den Wiener Donaukanal funktionieren könnte. Dabei wurde der Transport von Paketen als besonders geeignet identifiziert: Wegen der Zunahme des Online-Handels und der Zustellung unter Zeitdruck, die geprägt sei durch Wettbewerb sowie Stau und Halteverbote im städtischen Verkehr sei die Entwicklung von Alternativen hier besonders dringend, urteilten die Gutachter.
Hamburger Restaurants könnten über Fleete beliefert werden
In Hamburg geraten im Rahmen der städtischen Initiative Smart Last Mile Logistics (Smile) die Wasserwege als Alternative zur Straße zunehmend in den Blick. Schließlich macht die Metropole an Elbe und Alster für sich geltend, dass mehr Brücken als in Amsterdam, Venedig und Stockholm ihre Wasserwege überqueren. Die machen zusammen acht Prozent der Gesamtfläche der Stadt aus. Smile will Hamburg als Modellregion für zukunftsweisende Lösungen für den innerstädtischen Transport etablieren und setzt dabei auf emissionsarme Antriebe, Mikro-Hubs bei der Verteilung von Paketen – und auf Schiffe, mit denen über die Fleete und Kanäle der Hansestadt zum Beispiel Restaurants beliefert oder Abfälle abtransportiert werden könnten.
„Zur Entlastung der Straßen ist von der Wasserseite aus vor allem im Bereich Hoch- und Tiefbau wie zum Beispiel dem Wohnungs- und Bürohausbau der Einsatz möglich“, sagt Hans Stapelfeldt, Leiter des Arbeitskreises Verkehr der Logistik-Initiative Hamburg, zum dem Verantwortliche zuständiger Behörden und Vertreter der Verkehrswirtschaft gehören. Vielerorts müssten aber erst noch Kaimauern ertüchtigt werden, um auch andere tägliche Nutzungen in der Be- und Entsorgung zu ermöglichen. Auf jeden Fall sollte die Intensivierung der Nutzung von Wasserwegen in den Gewerbegebieten forciert werden, so Stapelfedt: „Wir gehen davon aus, dass die Verdichtung des Verkehrs auf der Straße die Attraktivität der Wasserwege in den nächsten Jahren erhöhen wird.“ Die Logistik-Initiative werde mit ihren Mitgliedern nach sinnvollen und machbaren Einsatzmöglichkeiten suchen und diese Projektideen mit ihrem Netzwerk in der Stadt begleiten.