Trends in der Logistik Lieferung per Drohne: Hindernisse für Überflieger

Der Transport per Drohne soll Zeit sparen und Kosten und Emissionen senken. Deshalb wird die Entwicklung der Fluggeräte weltweit vorangetrieben. Noch aber fehlt vielerorts der regulatorische Rahmen für den massenhaften Einsatz. Und zur Entlastung des Paketverkehrs in Ballungsgebieten scheint der Luftweg bislang wenig geeignet.

Paketlieferung via Drohnen (Foto: Shutterstock)

Bad Neustadt an der Saale mag einem vielleicht nicht sofort einfallen, wenn man an innovative Technologiestandort denkt. Doch in der Kleinstadt in der Rhön planen der Autozulieferer Jopp und der Würzburger Drohnenbauer Emqopter den Einstieg in eine neue Ära der Luftfracht: den ersten Linienflugdienst mit Lieferdrohnen in Deutschland.

Jopp hat drei Werke in der Stadt. Die Drohnen sollen den Transport von Kleinteilen beschleunigen, die bislang noch zwischen den Standorten auf der Straße hin und her gefahren werden. Die seit April geänderte Gesetzgebung hat die rechtliche Basis für den Linendienst mit den autonom fliegenden Drohnen geschaffen. Per GPS sucht sich das Fluggerät seinen Weg, zusätzlich ist die High-Tech-Drohne mit Ultraschall- und Infrarot-Sensoren bestückt. Geschulte Kontrolleure des Flugverkehrs können aber jederzeit eingreifen. „Mit diesem Projekt wollen wir zeigen, dass die Technik noch sicherer ist als das autonome Fahren”, sagt Emqopter-Geschäftsführer Nils Gageik. „Damit eröffnen wir neuen Ideen den Weg.“

Die Vorteile des Einsatzes von Drohnen in der Logistik liegen auf der Hand: Sie ermöglichen  eine schnelle und zuverlässige Lieferung. Transportkosten und Treibhausgasemissionen sind niedriger als beim Transport über Land. Doch bevor fliegende Transporter in großer Zahl unseren Himmel durchkreuzen, sind noch einige Hürden zu überwinden. „Wir sehen zwar inzwischen, dass es technisch möglich ist – auch wenn es noch Verbesserungspotenziale gibt”, sagt Michal Mazur, Partner im Drone Powered Solutions Team der Unternehemensberatung PwC. „Die wesentlichen Komplikationen ergeben sich aber aus der regulatorischen und der logistischen Perspektive.“

Weltweit wird der Versand von Waren per Drohne erprobt und ausgebaut. In Reykjavik verschickt der Online-Händler Aha in Kooperation mit dem israelischen Drohnenhersteller Flytrex bereits seit August 2017 Lebensmittel, Unterhaltungselektronik oder Blumen an Kunden in der isländischen Hauptstadt. Ein Aha-Mitarbeiter bestückt die Drohne am Startplatz, ein anderer entlädt sie nahe am Ziel und schließt die Zustellung ab. So wird der Straßenverkehr entlastet.

Hamburg wird Modellregion für städtischen Lufttransport

Im Oktober 2017 schloss der chinesische E-Commerce-Riese Alibaba erfolgreich eine Serie von Testfllügen ab, um Fruchtkisten von der ostchinesischen Stadt Putian zur nahegelegenen Insel Meizhou zu liefern. Und der US-Versandkonzern Amazon probte bereits 2016 die Lieferung per Fluggerät in der englischen Stadt Cambridge und lieferte einen TV-Streaming-Stick und eine Tüte Popcorn direkt in den Garten eines Kunden.

In Deutschland ist Hamburg Anfang Juni neuer Partner einer EU-Initiative zur Förderung der Urban Air Mobility geworden. Die Hansestadt ist damit offizielle Modellregion für die Erschließung ziviler Nutzungsmöglichkeiten von Drohnen und weiteren städtischen Luftverkehrstechnologien. Die kommerziellen Einsatzfelder der Fluggeräte sind vielfältig, sie reichen über die Auslieferung von Paketen weit hinaus. So können mit Hilfe von Drohnen Windrädern oder Gleisanlagen inspiziert werden. Weitere Einsatzmöglichkeiten gibt es beim Küstenschutz oder in der Brandbekämpfung.

So gibt es in vielen Ländern staatliche Initiativen, um die Zusammenarbeit mit Unternehmen aus verschiedenen Sektoren zur Entwicklung von Drohnen zu erleichtern. Dennoch wird es noch dauern, bis autonome Drohnen sicher fliegen können und der gesetzliche Rahmen für ihren massenhaften Einsatz abgesteckt ist. Denn die Vorschriften für den Luftraum sind weltweit immer noch sehr restriktiv. Es gelten strikte Einschränkungen, wo und wie Drohnen fliegen dürfen. Und die Gesetze regeln zumeist nur, wie ein Pilot vom Boden aus das Fluggerät zu lenken hat.

Noch keine wirtschaftlichen Geschäftsmodelle

„Das ultimative Ziel ist jedoch, dass die Drohnen autonom fliegen, denn das maximiert die Effizienz“, erklärt Mazur. Bereits heute erreichen Drohnen auf einfachen Strecken selbstlenkend ihr Ziel. Um sie in großer Zahl über städtischen Ballungsräumen autonom sicher fliegen zu lassen, werden nicht nur noch ausgefeiltere Technologien benötigt. Es bedarf auch neuer gesetzlicher Regeln und Verkehrsüberwachungssysteme, um Unfälle zu vermeiden. Denn anders als Flugzeuge sind die meisten Drohnen, die überwiegend aus Kunststoffbauteilen zusammengesetzt sind, mit den Radarsystemen zur Überwachung des Luftraums nicht auszumachen.

Hermes beobachtet die Entwicklungen in dem Bereich genau. „Wie sehen noch keine wirklich wirtschaftlichen Anwendungsfälle in unserem Geschäftsmodell“, sagt Roger Hillen-Pasedag, Bereichsleiter Strategy, Innovation & CR bei Hermes Germany. Bislang lasse sich mit Hilfe von Drohnen vor allem die Lieferung einzelner Sendungen in entlegene Gebiete beschleunigen – etwa auf eine Alm oder eine Insel. Die Sendungen von Hermes würden aber zu fast 70 Prozent in urbanen Metropolregionen zugestellt, meist mit deutlich mehr als 100 Paketen pro Tour. „Aktuell ist nur schwer vorstellbar, wie Drohnen solche Paketmengen bewältigen können“, sagt Hillen-Pasedag. „Ich bin dennoch gespannt, was hier die technologische Entwicklung bringen wird. Vielleicht gibt es in Ballungsräumen eines Tages zentrale Lande- und Ladestationen.“

Drohnen bringen Medizin und Ersatzteile

PwC-Berater Mazur erwartet, dass Logistikunternehmen autonome Fluggeräte eher in anderen Bereichen als der Paketauslieferung einsetzen – etwa in der Lieferkette oder um Fulfillment-Prozesse zu unterstützen und so die Effizienz zu steigern: „Drohnen könnten Lieferungen zwischen Depots oder sogar innerhalb von Lagern übernehmen“, sagt Mazur
Denn während bei den Paket- und Last-Mile-Lieferungen noch einige Herausforderungen bewältigt werden müssen, sind Point-to-Point-Lieferungen innerhalb oder zwischen Unternehmen leichter zu realisieren. Das gelingt in Bad Neustadt ebenso wie in Ruanda, wo das Technologie-Start-up Zipline Blut und medizinisches Material in entlegene Dörfer fliegt. Im Schweizerischen Lugano ist der Versand von Laborproben zwischen Krankenhäusern angelaufen. Die Ölgesellschaft Shell und die Reederei Maersk verwenden Drohnen, um Ersatzteile zu Bohrinseln oder Schiffen auf See zu transportieren.

Neben den noch zu lösenden regulatorischen und logistischen Problemen ist für Drohnen-Experte Mazur entscheidend, dass der Einsatz der Fluggeräte eine breite Akzeptanz findet. „Dabei gib es viele Aspekte zu beachten, vom Lärm über die Sicherheit  bis zum Schutz der Privatsphäre”, sagt der PwC-Berater. „Ich denke, es wird weitere fünf bis zehn Jahre dauern, bis diese Probleme gelöst sind, und wir in Ballungsgebieten in größerem Maßstab Drohnenlieferungen sehen.“

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