E-Mobilität: Elektrisch, praktisch, gut?
Die Reichweite ist begrenzt, die Akkus laden lang und mit verwirrend unterschiedlichen Systemen: Die flächendeckende E-Mobilität scheitert bislang noch an vielen Problemen. Auch wenn sich die deutschen Autobauer und einige Start-Ups darum kümmern: Auf absehbare Zeit werden alltagstaugliche E-Autos mit großer Reichweite eine Frage des Preises bleiben.
So schwerelos sich ein Elektroauto fährt, so beschwerlich wird es, wenn das wichtigste Teil schlapp macht, der Akku: Wer das Glück hat, überhaupt eine der wenigen Ladesäulen in Deutschland zu finden, muss sich mit unterschiedlichen Konzepten und Steckern und meist langen Ladezeiten herumschlagen. Für lange Strecken sind die meisten der umweltfreundlichen Pkw mit durchschnittlich 150 bis 200 Kilometern Reichweite nicht gemacht. Doch auch beim Stadtauto zählen die Deutschen noch nicht auf E-Mobilität: 2007 gab es in Deutschland nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes napp 1800 Autos mit reinem Elektroantrieb, 2014 waren es 12.000 und seitdem hat sich die Zahl auf über 25.000 Autos mehr als verdoppelt. Dennoch: Bei insgesamt 45 Millionen Pkw in Deutschland ist die Zahl noch verschwindend gering. „14 Millionen Autos sind allein Zweit- oder Stadtwagen, die wären sofort prädestiniert dafür, elektrisch zu fahren, doch viele lassen sich von einer Reichweite, die sie gar nicht brauchen und Sicherheitsbedenken abhalten“, sagt Dirk Uwe Sauer, Professor für Stromrichtertechnik und elektrische Antriebe an der RWTH Aachen.
Es gibt kaum öffentliche Ladestellen
Auch die Infrastruktur schreckt viele ab: 2016 gab es zwar nach Angaben des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft mehr als 6500 öffentliche Ladestellen in Deutschland – doch die stehen den rund 25.000 Elektrofahrzeugen und noch einmal fast genauso vielen Hybridfahrzeugen gegenüber. Zudem findet sich mehr als die Hälfte aller Ladesäulen allein in den drei Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern. Daneben gibt es einzelne Vorstöße: So werden in Leipzig Straßenlaternen so umgerüstet, dass man sei E-Auto über Nacht daran laden kann und die Telekom bestätigt „Überlegungen“, die den Umbau der grauen Verteilerkästen zu Stromtankstellen betreffen. Doch von einem flächendeckenden Netz ist Deutschland in jedem Fall noch weit entfernt: Mehr als 80 Prozent der Besitzer nutzen nach Angaben des Bundesverbands eMobilität den Stellplatz zuhause zum Laden.
In allen Fällen hängt es vom Auto und vom Stromanschluss ab, wie schnell das geht: Die Basis-Variante des e-Golf kann nur an haushaltsüblichen Steckdosen laden und das dauert 13 Stunden (Aufrüstung zum Schnellladen kostet mehrere hundert Euro). Und an den Laternen in Leipzig ist, egal ob aufgerüstetes Auto oder nicht, nur langsames Laden möglich, denn die Laternen sollen ja auch noch leuchten in der Nacht, die das Auto dort komplett zum Laden braucht.
Reichweite ist eine Frage des Geldes
Weniger Tragweite hätte dieses Problem, wenn die Reichweite höher wäre und man somit nicht jeden Tag auf die Steckdose angewiesen wäre. Doch die deutschen Autos kommen noch nicht so weit. Warum schafft es der US-amerikanische Elektroauto-Hersteller Tesla, problemlos 500 Kilometer Reichweite aufzurufen? Weil man dafür einen entsprechenden Preis zahlt: „Für einen Tesla legt man auch um die 100.000 Euro hin. Es ist technisch nicht das Problem, mehr Reichweite einzubauen, aber doppelt so weit fahren zu wollen, heißt doppelt so viel für die Batterie zu zahlen. Das ist ein linearer Zusammenhang“, sagt Sauer.
Die österreichische Firma Kreisel Electric stattete einen eGolf mit 430 statt der serienmäßigen 190 Kilometer Reichweite aus und der Akku wog statt 330 nur 323 Kilo. Was das kostet, bleibt unbekannt. Markus Kreisel, einer der drei Kreisel-Brüder, die das Unternehmen gründeten, erklärt: „Zellen kaufen wir zu, unser Know How liegt in der Technik, wie wir Zellen verbinden. In einem Fahrzeug stecken zum Beispiel mehr als 8000 Zellen, die mit einander verbunden werden müssen. Jede Verbindung ist potentiell ein Energieverlust, doch wenn man es schafft, den klein zu halten, sind die Akkus besonders leistungsfähig“, sagt Kreisel. Den Erfolg führt er auf den Garagen-Spirit und die Wendigkeit des kleinen Unternehmens zurück: „Wir haben das geschafft, weil wir uns unvoreingenommen mit Batterietechnologie und Zellen auseinandergesetzt haben. Große Unternehmen sind bei der Entwicklung schwerfälliger und haben oft nicht die Möglichkeit schnell entscheiden und reagieren zu können.“
Doch auch die großen deutsche Autobauer wollen nun an der besseren Verbindung der Zellen zu den so genannten „Packages“ arbeiten: Daimler hat gerade den Spatenstich für ein 500-Millionen-Projekt im sächsischen Kamenz gemacht, dort sollen künftig auf 60.000 statt bisher auf 20.000 Quadratmetern Akkus für die eigenen Autos entstehen, unter anderem für die gerade vorgestellte neue Marke „EQ“. Laut Gerüchten soll auch VW in Salzgitter ein ähnlich großes Werk geplant haben.
Akkus: Größe und Gewicht sind ein Problem
Die Lithium-Ionen Zellen – die auf absehbare Zeit laut Professor Sauer die genutzte Technologie bleiben dürften – kommen weiterhin aus Asien. Vor einigen Jahren hatte sich Daimler in Kamenz daran versucht, auch die Zellen selbst zu fertigen, doch das scheiterte. Professor Sauer kennt den Grund: „In Europa gibt es keine einzige Zellproduktion für den Fahrzeugbereich. Das ist historisch begründet, weil wir in Europa schon seit den 1970er Jahren die Produktion von Unterhaltungselektronik aufgegeben haben. Die wanderte Richtung Japan und Korea ab.“
Dort stieg der Druck für neue Batterien mit höheren Energiedichten und die dortige Industrie entwickelte Lithium-Ionen-Akkus: „Hier eine Produktion aufzubauen, ist sehr schwierig, das Know How und auch die wichtigsten Hersteller der Produktionsanlagen sind in Asien und es würde Jahre dauern, bis man die Produktionsqualität und den Output erreichen würde, der notwendig wäre, um Geld damit verdienen zu können“, so Sauer. Einen neuen Ansatz, aber auch mit Lithium-Ionen-Akkus, verfolgt das US-Unternehmen seeo, der neueste Zukauf des weltgrößten Automobilzulieferers Bosch: Dort wird statt flüssiger Elektrolyte auf Keramik gesetzt, was das Gewicht der Akkus reduzieren könnte und man so mehr davon in Autos einbauen könnte – billiger wird es erst einmal nicht.
Größe und Schwere bisheriger Akkus sind auch eines der Probleme, warum E-Autos noch nicht großflächig in der Logistik angekommen sind: Wo es auf möglichst viel Ladevolumen ankommt, soll nicht die halbe Fläche mit Akkus voll sein. Doch es gibt auch seitens der Autohersteller noch keine serienmäßige Fertigung von E-Sprintern oder ähnlichen Fahrzeugen. Für die Logistiker der Grund, warum sie noch nicht so umfassend auf E-Mobilität setzen können: „Wir werden es dann tun, wenn die Industrie in der Lage ist, diese Antriebe in großer Menge und verlässlich zur Verfügung zu stellen“, sagt Dirk Rahn, Geschäftsführer Operations von Hermes Germany.
„Die großen Fahrzeughersteller bauen erst kundenspezifische Fahrzeuge, wenn sie damit Geld verdienen können und das heißt große Stückzahlen absetzen zu können“, so Professor Sauer. Hermes beteiligt sich seit 2012 am „Schaufensterprojekt Elektromobilität“ des Bundes-Umweltministeriums in Berlin-Brandenburg, in dessen Rahmen es das Ziel gibt, einen elektrisch betriebenen Transporter serienreif zu entwickeln. Bislang lassen sich die Logistiker nur einzelne Fahrzeuge extra umbauen, wie den Sprinter, den Vito E-Cell oder Renault Kangoo ZE. Mit letzterem hat Hermes Ende 2014 die bis dato größte elektrisch betriebene Fahrzeugflotte in einer europäischen Großstadt in Betrieb genommen: Mit 44 Kangoos werden in London seitdem Pakete emissionsfrei zugestellt. Bei Langstrecken macht die Reichweite des Akkus aber den größten Strich durch die Rechnung: Der Schweizer Startup-Konstrukteur E-Force demonstriert zwar mit dem umgebauten 18-Tonner Iveco Stralis, dass es zwei insgesamt 2600 Kilo schwere Akkus 300 Kilometer weit schaffen – die Frage bleibt aber weiter, zu welchem Preis.