Hintergrundinterview Innovation in der Logistik Blockchain-Modellprojekt BIZZBLOXX

Hermes arbeitet gemeinsam mit der Otto Group IT, dem Softwarehaus und IT-Dienstleister Datev und T-Systems an dem Modellprojekt BIZZBLOXX. Im Rahmen eines Prototyps entwerfen die Partner ein idealtypisches Szenario, in dem kleine und mittelständische E-Commerce-Unternehmen entlang ihrer kompletten Wertschöpfungskette auf Basis der Blockchain-Technologie digital arbeiten. Das Projektteam von Hermes Europe und Hermes Germany im Interview.

Arbeiten im Netzwerk ist ein zentrales Element der Blockchain. Ihre Einsatzszenarien in der Logistik sind vielfältig. (Foto: Shutterstock)

Blockchain gehört zu den meist diskutiertesten Technologien der letzten Jahre. Dass sie in Zukunft Grundlage zahlreicher neuer Geschäftsmodelle sein und wirtschaftliche Prozessketten weltweit revolutionieren wird, gilt als gesetzt. Ein zentrales Element der Blockchain: das Arbeiten im Netzwerk. Da dieses auch Teil der Logistik-DNA ist, sind die Einsatzszenarien für die Blockchain hier besonders vielfältig. Ein Projektteam von Hermes Europe und Hermes Germany arbeitet gemeinsam mit der Otto Group IT, dem Softwarehaus und IT-Dienstleister Datev und T-Systems an dem  Modellprojekt BIZZBLOXX. Im Rahmen eines Prototyps entwerfen die Partner ein idealtypisches Szenario, in dem kleine und mittelständische E-Commerce-Unternehmen entlang ihrer kompletten Wertschöpfungskette auf Basis der Blockchain-Technologie digital arbeiten. Dr. Linda de Beer (Project Manager Strategy & Innovation, Hermes Europe), Marcel Morisse (Enterprise Architect, Hermes Germany) und Jan Stueber (IT Strategy & Portfoliomanager, Hermes Germany) zu den Hintergründen des Use Cases, der zeigt, wie die Blockchain tradierte Formen der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen aufbricht und die Basis für eine Automatisierung von Prozessen über Unternehmensgrenzen hinweg sein kann.

Die Blockchain als Vertrauensbasis für Zusammenarbeit

Linda, Marcel und Jan, ihr beschäftigt euch bei Hermes Germany und Hermes Europe mit Blockchain-Technologie. Was steckt dahinter?

Linda de Beer

Linda: Die Logistik ist eine der Branchen, die sehr von der Digitalisierung profitieren kann und die Blockchain-Technologie kann ein ganz wesentlicher Faktor sein, der die Spielregeln der Zusammenarbeit in unserer Branche verändern wird.

Jan: Logistik funktioniert per se in Netzwerken mit vielen verschiedenen Partnern. Blockchain kann dabei helfen Prozessbrüche und Datensilos aufzubrechen und eine andere Art der Zusammenarbeit in diesen Netzwerken aufzubauen: Die Technologie stellt das Vertrauen her, das es braucht, um auf einer gemeinsamen Datenbasis zu arbeiten. Zudem ermöglicht sie eine Automatisierung von Prozessen über Unternehmensgrenzen hinweg.

Marcel: Wir beschäftigen uns seit ca. anderthalb Jahren mit der Blockchain-Technologie und haben in der Zeit verschiedene Einsatzmöglichkeiten evaluiert. Die Blockchain schafft ein hohes Maß an Sicherheit, da Datensätze miteinander verkettet werden. Dadurch wird es nahezu unmöglich, Werte zu fälschen oder von gemeinschaftlich ausgehandelten Abläufen abzuweichen. Daneben bietet die Technologie erhebliche Zeit- und Kostenersparnisse durch die Vermeidung von Datensilos und Medienbrüchen. Mit Blick auf diese Vorteile ist ein spannender Use Case, alle administrativen Prozesse eines kleinen oder mittelständischen E-Commerce-Unternehmens sicher und effizient zu automatisieren und auf die Blockchain zu verlagern. Die Paketlogistik ist dabei ein wichtiger Teil, aber natürlich nicht der einzige. Somit war klar, dass dieses Thema nur im Verbund mit anderen Unternehmen zu bewältigen ist. Deshalb haben wir uns dem Entwicklungsprojekt BIZZBLOXX angeschlossen, das bisher gemeinsam von Datev und T-Systems entwickelt wurde, und bringen nun zusammen mit der Otto Group IT unser Wissen zu Logistik und E-Commerce ein.

Könnt ihr ein paar weitergehende Einblicke zu diesem Gemeinschaftsprojekt geben, an dem Hermes mit Datev, T-Systems und der Otto Group IT arbeitet?

Marcel: Hinter BIZZBLOXX steht ein ganzheitlicher Ansatz mit der Blockchain-Technologie als Basis. Die dahinterstehende Idee ist, kleinen und mittelständischen Unternehmen den Verkauf ihrer Produkte online zu erleichtern und den damit verbundenen administrativen Aufwand so weit wie möglich zu automatisieren. Während Hermes seine Kompetenzen aus der Paketlogistik einbringt und die Otto Group die Perspektive des E-Commerce, steuert Datev seine fundierten Fähigkeiten bei kaufmännischen und regulatorischen Prozessen bei. T-Systems betreibt die technologische Plattform und Infrastruktur.

Jan: Aktuell arbeiten wir an einem Prototyp, der bereits Versandaufträge aus Endkundenbestellungen generieren kann und idealtypisch den Weg eines Pakets vom Versender zum Empfänger abbildet. Dafür haben wir eine Architektur, Datenstrukturen und Prozesse gemeinsam mit Datev und T-Systems konzipiert und in einzelne User Stories zerteilt. Diese User Stories werden derzeit zusammen mit allen Entwicklungspartnern umgesetzt.

Was sind die nächsten Schritte? Was ist das Ziel?

Marcel Morisse

Marcel: Wir wollen bis Ende August mit dem Prototyp fertig sein, um diesen dann intensiv zu testen. Insbesondere wollen wir wissen, ob die Technologie die Herausforderungen der heutigen Paketlogistik nicht nur theoretisch, sondern auch im tatsächlichen Einsatz bewältigen kann. Sobald diese Schwelle überschritten ist – und davon, dass das geschieht, gehen wir aus – werden wir schrittweise immer mehr Leistungen von Hermes auf der Blockchain abbilden, um die Vision weiter zu konkretisieren.

Was verspricht sich Hermes von dem Projekt?

Linda: Eine Frage, die sich beim Thema Digitalisierung in einer Branche wie unserer immer wieder stellt, ist: Wie müssen Geschäftsmodelle zukünftig aussehen, damit sie im Wettbewerb bestehen? Die Blockchain-Technologie im Allgemeinen und BIZZBLOXX als Modellprojekt im Speziellen ermöglichen es uns, eine neue Art der Kooperation mit anderen Unternehmen zu testen, neue Umsatzpotenziale zu evaluieren und insbesondere bei administrativen Prozessen Effizienzgewinne zu erzielen. Zudem wollen wir durch das Projekt massiv Wissen zum Thema Blockchain aufbauen, um es dann auch für andere Themen nutzen zu können.

Marcel: Die Blockchain hat das Potential unser Geschäft wesentlich zu verändern, da es den Informationsaustausch zwischen Partnern dezentral, verifiziert und sicher ermöglicht, ohne dabei auf (teilweise teure) Intermediäre angewiesen zu sein. Dadurch können sich sehr kurzfristig neue Netzwerke formen, die gemeinsam Mehrwerte schaffen. Darüber hinaus entwickelt sich die Technologie derzeit rasant weiter.

Ganzheitlicher Blick auf Blockchain durch das Aufbrechen von Silos

Was findet ihr persönlich an der Kooperation und dem Projekt BIZZBLOXX spannend?

Marcel: Ich beschäftige mich bereits seit 2014 mit Blockchain und habe in dieser Zeit schon einige spannende Anwendungsfälle begleitet. Für mich bietet die Technologie eine einmalige Möglichkeit tradierte Herangehensweisen zu hinterfragen und stärker in dezentralen Netzwerken zu denken. Um Innovationen anfassbar zu machen, ist es dabei sehr spannend mit Partnern zusammenzuarbeiten, sich gemeinsam vorzutasten und Konzepte auszuprobieren. Außerdem lerne ich durch die ganzheitliche Betrachtung des Themenfelds – von der rechtlichen Betrachtung der Blockchain über Geschäftsmodellentwicklung bis hin zur Programmierung – jeden Tag dazu.

Linda: Ich persönlich finde es spannend, wie eine neue Technologie wie die Blockchain die Art der Zusammenarbeit ändert. Es treffen bereits jetzt, in einer relativ frühen Phase, verschiedene Unternehmenskulturen aufeinander. Weil Prozesse zwingend End-to-End gedacht werden müssen, um sie vollständig zu automatisieren, werden Silos aufgebrochen – auch über Unternehmensgrenzen hinweg. Hierbei geht es um eine Bandbreite von Fragen: Ob man die Technologie nutzt, um Einkommensströme direkt nach der Beteiligung an der  „Arbeit” im Netzwerk wieder zu verteilen oder wie die Governance-Struktur gebaut werden soll, wenn durch die Technologie eine starke Dezentralität und Selbstbestimmung realisiert werden kann, diese aber in einem Unternehmenskontext angewendet wird, wo im Regelfall eine starke Zentralisierung vorherrscht.

Jan Stueber (Foto: Hermes)

Jan: Neben den Aspekten, die Marcel und Linda gerade genannt haben, sind zudem Fragestellungen spannend, wie die IT-Infrastruktur und die IT-Architektur in einem solchen Netzwerk aufgebaut werden müssen, damit sie gleichzeitig hoch performant sind, um mit den Datenmengen in der Logistik klar zu kommen, offen genug, um möglichst viele Partner andocken zu können und dennoch eine entsprechende Sicherheit bieten.

Blockchain-Werkstatt der Otto Group als Startpunkt

Ihr sprecht davon, dass Silos aufgebrochen werden. Wie kam es zu der engen Zusammenarbeit mit der Otto Group und den anderen Partnern bei BIZZBLOXX?

Linda: Wir sind bereits seit Längerem im engen Austausch mit dem Innovationsmanagement der Otto Group und insbesondere Constanze Stein hat uns bei der Definition relevanter Blockchain-Use-Cases für unser Anwendungsfeld unterstützt. Im letzten Jahr haben wir dann im Rahmen einer Otto Group internen Blockchain-Werkstatt ein Sponsoring für einen unserer Use Cases gewonnen – so sind wir noch enger aneinandergerückt.

Der Kontakt zu Datev ist über T-Systems entstanden, mit der wir regelmäßig über Innovationsthemen sprechen. Und obwohl alle Partner aus unterschiedlichen Branchen und Kulturen kommen, hat sich ein Projektteam gefunden, in dem die Chemie einfach stimmt. Alle sind neugierig darauf, was sich mit Blockchain auf die Beine stellen lässt, unser Wissen ergänzt sich an vielen Stellen. Jeder denkt sich in die Themen des anderen hinein und nutzt die eigenen Stärken, um für die potentiellen Kunden einen einmaligen Service auf die Beine zu stellen. Nicht zuletzt macht die Arbeit im Projektteam einfach Spaß!

Mehr zu den Blockchain-Aktivitäten der Otto Group in der Blockchain-Folge des Podcasts otto group unterwegs

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